Mitte 2023 soll über die Zukunft der Grünen Gentechnik in der EU entschieden werden. Die EU-Kommission diskutiert aktuell Vorschläge für weitreichende Ausnahmen bei der Anwendung sogenannter Neuer Genomischer Techniken (NGT) wie CRISPR/Cas. Diese Ausnahmen hätten zur Folge, dass NGT künftig nicht mehr oder weniger streng reguliert werden würden, als Agrogentechnik bisher. Risikoprüfung sowie Kennzeichnungspflicht wären nicht mehr garantiert; eine Wahlfreiheit für gentechnikfreien Anbau in der EU damit nicht mehr möglich.
Bislang gilt in Europa das Vorsorgeprinzip: Gentechnisch veränderte Sorten werden erst dann zugelassen, wenn bspw. negative Effekte auf Umwelt und Natur ausgeschlossen werden können. „Das Risiko einer Genom-Editierung muss immer im Einzelfall geprüft werden”, sagt Bioland Präsident Jan Plagge. “Mit CRISPR/Cas und Co. kann der Stoffwechsel von Pflanzen noch weitreichender verändert werden als bei der sogenannten Alten Gentechnik, welche übrigens fast ausschließlich pestizidresistente Pflanzen hervorgebracht hat. Heute wissen wir: Mit dem Verzicht darauf haben wir in Europa nichts verpasst, ganz im Gegenteil“, unterstreicht Plagge.
„Es geht uns Bioland-Betrieben darum, auch mittel- und langfristige Risiken für unsere Ökosysteme zu vermeiden. Zudem wollen wir die Wahlfreiheit für Verbraucher sichern. Sie sollen selbst entscheiden können, ob sie zu Gentechnik-Lebensmitteln greifen oder nicht. Diese Freiheit kann es aber nur geben, wenn auch für Neue Gentechnik eine lückenlose Kennzeichnungspflicht gilt“, so der Bioland-Präsident.
Neben dem Bioland-Präsidenten haben aktuell noch mindestens 400.000 weitere EU-Bürger ein Problem damit, dass NGT vom bisher strikten Gentechnik-Recht der EU ausgenommen werden könnte: So viele Menschen haben bereits eine entsprechende Petition unterschrieben, die noch bis zum 20. November für Eintragungen geöffnet ist. Aus gutem Grund, denn die von der EU-Kommission skizzierten Szenarien für die Neuregulierung stellen nicht nur das Vorsorge-Prinzip infrage – es könnte demnach sogar ein „Nachhaltigkeits-Label“ für Pflanzen mit NGT geben und damit zu einer Art „Greenwashing“ dieser Technologien kommen.
Gute Antworten auf systemische Probleme wie den Klimawandel können jedoch nur ganzheitliche und ökologische Anbau-Systeme geben, so Plagge. „Und der Biolandbau ist das geeignete landwirtschaftliche System für die Zukunft, weil er so viele Probleme auf einmal angeht. Die EU-Kommission ist gerade dabei, einen riesigen Zielkonflikt in ihre Farm to Fork Strategie zu kreieren. Sie will den per EU-Verordnung gentechnikfreien Ökolandbau auf 25 % bis 2030 ausbauen, was gut und richtig ist. Aber sie will gleichzeitig per neuer Gentechnikregulierung die Grundlage für gentechnikfreie Landwirtschaft in der EU abschaffen. Das ist eine Sackgasse und passt gar nicht in den ganzheitlichen Ansatz des europäischen Green Deals.“