Die Europäische Kommission hat mit der „Farm to Fork“-Strategie als Teil des Europäischen Green Deals ein Programm für ein nachhaltiges Ernährungssystem vorgelegt und will in diesem Jahr den EU-Rechtsrahmen ehrgeizig weiterentwickeln. Ein neuer Bericht der Europäischen Umweltagentur zeigt, dass diese Umstellung auf ein nachhaltiges Ernährungssystem enorme Veränderungen erfordert, wie Lebensmittel produziert und konsumiert werden, so das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).
Der Bericht „Transforming Europe's food system – Assessing the EU policy mix“ betont, dass es einer ehrgeizigen und kohärenten EU-Politik bedarf, die Innovationen fördert und Verhaltensänderungen unterstützt, schädliche Praktiken ersetzt und einen gerechten Übergang zu einem nachhaltigen Ernährungssystem gewährleistet. Die Autoren analysieren die verschiedenen EU-Politiken, die derzeit das europäische Ernährungssystem gestalten, im Lichte der neuesten Forschungsergebnisse zur Dynamik und Steuerung von nachhaltigen Verhaltens- und Produktionsänderungen. Untersucht wurden die verschiedenen Ziele und Maßnahmen der „Farm to Fork“-Strategie sowie zentrale Ziele und Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Gemeinsamen Fischereipolitik. Die Studie wurde verfasst vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), dem Dutch Research Institute for Transitions (DRIFT) und dem Finnish Environment Institute (SYKE) im Auftrag von und in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Umweltagentur.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass trotz der Fortschritte, die im Rahmen der europäischen „Farm to Fork“-Strategie erzielt wurden, der bestehende EU-Politikmix durch Lücken und Unstimmigkeiten gekennzeichnet ist, die das Potenzial für einen transformativen Wandel begrenzen. Der Bericht zeigt Möglichkeiten auf, den Policy Mix transformativer zu gestalten.
„Ein zentrales Problem des Policy Mix ist bisher, dass die ‚Farm to Fork‘-Strategie sehr ambitionierte Ziele hat und sinnvolle Maßnahmen enthält, aber die Gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik konventionelle, nicht nachhaltige Praktiken weiterhin mit Milliarden fördert und damit ein Umdenken konterkariert. Wir empfehlen daher weitgehende Änderungen in der Förderlogik der Gemeinsamen Agrarpolitik und mittelfristig den Ausstieg aus Praktiken, die nicht nachhaltig sind“, so Transformationsforscher Florian Kern vom IÖW, der die Studie geleitet hat.
„Zentral ist es, den Widerstand von Interessengruppen, die sich nachhaltigen Lebensmittelsystemen entgegenstellen, zu überwinden. Sie müssen an Prozessen, die den Weg in die Zukunft weisen, beteiligt werden, zudem sollten konkrete Anreize und Ausgleichszahlungen geboten werden“, ergänzt Sabine Hielscher, die am IÖW zu sozialen Innovationen forscht. „Auch die Gesellschaft sollte in die Formulierung gemeinsamer Visionen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem einbezogen werden.“
Der Bericht zeigt zahlreiche Möglichkeiten auf, wie die EU-Politik einen stärkeren Wandel bewirken kann. Um ihr Potenzial voll auszuschöpfen, ist ein strategischer und kohärenter Ansatz erforderlich, so das Fazit des Berichts. Dazu zählt z.B., eine geteilte Vision zu entwickeln, wie ein nachhaltiges Ernährungssystem aussehen könnte. Diese Vision gilt es, gemeinsam mit Akteuren, die den Wandel voranbringen möchten, regional auszudifferenzieren. Die Europäische Kommission muss im Rahmen ihrer Möglichkeiten mehr tun, um den Verzehr von nachhaltigeren Lebensmitteln zu fördern und gleichzeitig solche Praktiken im Anbau, in der Produktion und Verarbeitung unter Druck zu setzen, die nicht nachhaltig sind.