Seit einigen Wochen machen vor allem Landwirte ihrem Unmut hinsichtlich einiger politischer Entscheidungen Luft. Ihre Forderungen nach einer tragfähigen Lösung beim Agrardiesel und weiteren Entlastungen für die Landwirtschaft, wurden in dieser Woche noch einmal vom Deutschen Bauernverband (DBV) in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz verdeutlicht.

Traktor auf der Straße

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Doch auch über die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels wurde in Bezug auf die wirtschaftliche Situation der Erzeuger zuletzt diskutiert. Das wohl am häufigsten zitierte Beispiel hier ist Till Backhaus, Landwirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns. Dieser vertritt die Ansicht, dass die Macht der Handelsketten durch das Kartellrecht begrenzt werden müsse. Er erklärte dies damit, dass die Erzeuger für ihre Produkte zu niedrige Preise erzielen würden, während diese am PoS steigen würden.

Nun meldete sich Handelsverband Deutschland (HDE) zu Wort. Nach dessen Ansicht versuchen einige politische Akteure nun, von der eigenen Verantwortung für die Agrarpolitik abzulenken und den Einzelhandel als Verursacher der Krise bei vielen Landwirten darzustellen. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: „Das ist unlauter und populistisch. Die wirtschaftlichen Probleme vieler Landwirte haben nichts mit dem Lebensmitteleinzelhandel und seinem Verhalten zu tun. Maßnahmen, die auf Beschränkungen für den Lebensmitteleinzelhandel zielen, schaden dem Markt und den Verbrauchern und helfen der Landwirtschaft in keiner Weise weiter.“

Der HDE bezieht sich dabei darauf, dass die Agrarrohstoffpreise maßgeblich von der verarbeitenden Ernährungswirtschaft und den Weltmarktpreisen bestimmt werden. Direkte Vertragsverhältnisse zwischen Handel und Landwirtschaft seien eher selten, insofern sei auch der Einfluss des Handels auf die Preise sehr begrenzt. „In der Regel werden die meisten Agrarrohstoffe für die Verarbeitung zu Lebensmittelprodukten an Unternehmen der Ernährungswirtschaft verkauft, wie Molkereien oder Schlacht- und Zerlegebetriebe.“

Wie groß die Bedeutung des Exports für die Landwirtschaft in Deutschland sei, zeigte ein Blick auf die Zahlen: „So werden 49 % der Produktionsmengen der deutschen Landwirtschaft an Frischelebensmitteln exportiert. Gleichzeitig importiert Deutschland 38 % der Waren in diesem Bereich aus dem Ausland. Beide Zahlen machen deutlich, dass der Einzelhandel in Deutschland mit seiner Preispolitik nicht der entscheidende Faktor für die Einkommen der Landwirte hierzulande sein kann“, heißt es.

Angesichts der Daten und Fakten ist für Genth klar: „Wer dem Lebensmitteleinzelhandel in der Preisbildung eine entscheidende Marktmacht unterstellt, hat sich von der Realität abgekoppelt.“ Das könne ihm zufolge gefährliche Folgen haben. Zum einen würden durch untaugliche politische Maßnahmen Hoffnungen der Landwirte erneut enttäuscht. Und zum anderen würde der Markt womöglich unnötig und fehlgesteuert eingeschränkt. Am Ende müssten dann alle bis zum Endverbraucher im Supermarkt höhere Preise bezahlen, ohne dass es einen Mehrwert für die Landwirtschaft gebe. „Die Politik sollte weniger Energie auf die sinnlose Suche nach einem einfachen Sündenbock verschwenden. Die Landwirte haben es verdient, dass man sich mit ihnen über echte und erfolgsversprechende Lösungswege auseinandersetzt. Haltlose Scheinattacken gegen den Lebensmittelhandel helfen da nicht weiter“, so der HDE-Hauptgeschäftsführer.