Die Klimakrise stellt die Landwirtschaft zunehmend vor enorme Herausforderungen: Die sich ändernden Witterungsverhältnisse beeinflussen nicht nur Ernteerträge, sondern gefährden regional abhängig ganze Ernten. Das bestätigt der vorläufige amtliche Erntebericht 2024, den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nun vorgestellt hat.
Demnach schmälerten etwa ein nasser Herbst 2023, ein rekordwarmer Frühling 2024 mit Spätfrösten, vielerorts Hochwasser und ein feuchter Sommer mit zahlreichen heftigen Unwettern die Ernteergebnisse, teilt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit. Der Kartoffelanbau sowie der Obst- und Weinbau litten regional deutlich unter den vielen Wetterkapriolen.
Ende April führten Spätfröste zu erheblichen Schäden in den Obstbauregionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg, aber auch in Teilen von Hessen, Rheinland-Pfalz, Franken und Baden. Massiv geschädigt wurden Apfel, Kirsche und Pflaume. Regional kam es zum Teil zu Totalausfällen. Feuchtwarme Witterung in der Obstregion am Bodensee führte zusätzlich regional zur verstärkten Schorfbildung. Nach einer Schätzung vom Juli 2024 können voraussichtlich rund 734.000 t Äpfel geerntet werden. Das wären 261.300 t – und damit mehr als ein Viertel – weniger (-26,3 %) als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
Laut der vorläufigen Ergebnisse der Bodennutzungshaupterhebung beläuft sich die Kartoffelanbaufläche in Deutschland im Jahr 2024 auf rund 289.300 ha. Damit würde das Vorjahresniveau um deutliche 9,3 % und der sechsjährige Durchschnitt um 9,4 % übertroffen. Aktuelle Prognosen gehen für Deutschland von einem Hektarertrag von 41,1 t aus; das wäre ein Rückgang um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr und um zwei Prozent gegenüber dem sechsjährigen Durchschnitt. Nach einer durch Nässe erschwerten Kartoffelernte im Herbst 2023 wurden die Auspflanzungen im Frühjahr 2024 in weiten Teilen Deutschlands durch Niederschläge und schwer befahrbare Ackerböden verzögert. Die feuchten Bedingungen haben außerdem das Auftreten der Kraut- und Knollenfäule stark begünstigt.
Bundesminister Cem Özdemir sagte dazu: „Unsere Landwirtinnen und Landwirte haben Großes geleistet und die Speicher sind trotz teils extremer Wetterbedingungen gefüllt. Das ist nicht selbstverständlich, es verdient unser aller Dank! Die Daten unseres Ernteberichts zeigen auch, dass die Klimakrise die Landwirtschaft längst voll erreicht hat. Wo andere den Klimawandel zurzeit am liebsten klein reden, müssen sie einen Landwirt da nicht überzeugen. Die Klimakrise erhöht die Häufigkeit und Dauer von Extremwetterereignissen, sie erschwert die Erzeugung und gefährdet zunehmend Ernten. Klimaschutz ist auch Schutz unserer Ernten – und da sind auch alle anderen Sektoren gefordert. Klimaschutz und Klimaanpassung sind das Gebot unserer Zeit. Für stabile Ernten ist das gesamte Wissen und Können der Landwirtinnen und Landwirte gefragt. Die Herausforderungen sind groß, aber die Chancen sind es auch. Mit Mut, Innovation und einem klaren Kompass Richtung Nachhaltigkeit kann es gelingen, die Landwirtschaft so zukunftsfest aufzustellen, damit sie schützt, was sie nutzt und so auch die Ernten in zehn, 20 oder 50 Jahren sichert.“
Die Häufigkeit von Extremwetterereignissen mache deutlich, dass es neben dem Klimaschutz auch zunehmend um Maßnahmen der Klimaanpassung gehen müsse, damit Landwirtschaft widerstandsfähig sowie zukunftsfest wird und bleibe. Entsprechend passen sich viele Betriebe heute schon an das veränderte Klima an. Wenngleich nicht alle witterungs- und klimabedingten Ernteausfälle verhindert werden können, sorgen robuste Sorten, resiliente Kulturpflanzen, diversifizierte Fruchtfolgen oder veränderte Anbaumethoden dafür, Ernten zu stabilisieren. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt hier aktiv, indem es Maßnahmen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz fördert, in Forschung und Entwicklung sowie den Wissenstransfer investiert.
„Sich an den Klimawandel anzupassen, ist auf vielen Betrieben längst Realität. Denn Sorten oder Kulturen anzubauen, die mit Hitze oder Trockenheit gut funktionieren, den Boden durch Humusaufbau verbessern oder mit Agroforst für Schatten sorgen, das bedeutet schlichtweg, sich klimafest aufzustellen. Wir unterstützen die Landwirtinnen und Landwirte mit einer Vielzahl an Maßnahmen und indem wir den Rahmen anpassen, damit die Betriebe gut wirtschaften können“, so Bundesminister Özdemir.
Maßnahmen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz
- Nationale Wasserstrategie: Gesunde Böden, die Wasser speichern und nachhaltiges Wassermanagement ermöglichen, tragen maßgeblich zu einem ausgeglichenem Landschaftswasserhaushalt bei. Damit wird die Grundlage für eine widerstandsfähigere Landwirtschaft geschaffen.
- Förderung der Pflanzenzüchtung: In über 200 Projekten wird an der Entwicklung neuer, resilienter Sorten gearbeitet, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind.
- Anreize für Agroforstsysteme: Diese Systeme bieten bedeutende ökologische Vorteile, insbesondere für den Klimaschutz, aber auch als Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel. Sie werden durch neue Förderungen unterstützt.
- Stärkung der betrieblichen Anpassungsfähigkeit: Betriebe werden durch Innovationen, Forschungsförderung und Wissenstransfer in die Lage versetzt, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen erfolgreich umzusetzen.
- Klimaschutzprogramm 2030: Dieses Programm umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die zu einer Emissionsminderung in der Landwirtschaft beitragen sollen.
- Bio-Strategie 2030: Mit dem Ziel, den Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen auf 30 % zu steigern, wird eine nachhaltige Zukunft aktiv gestaltet.
- Abbau unnötiger Bürokratie: Damit Landwirtinnen und Landwirte sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, hat das BMEL zudem eine umfangreiche Initiative zum Abbau unnötiger Bürokratie gestartet. Einige Verbesserungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) konnten bereits umgesetzt werden, weitere Vereinfachungen der GAP, aber auch bei Melde- und Dokumentationspflichten usw. werden folgen.