Die österreichischen Frühkartoffelbestände sind weitgehend geräumt. Die für die Lagerung vorgesehenen Kartoffeln sind zumeist noch nicht erntereif und würden bei frühzeitiger Rodung letztendlich im Herbst und Winter fehlen, wodurch die Versorgungslücke nur verschoben würde.
Diese Rahmenbedingungen führen zu einer Situation, die es so noch nie gab, teilte die Landwirtschaftskammer Niederösterreich mit. Das Sortiment im Supermarkt werde bereits jetzt mit ausländischer Ware ergänzt. Der Anbau von Kartoffeln wurde in den letzten Jahren zunehmend erschwert. Für die bäuerlichen Betriebe ist der Kartoffelanbau zum Risiko geworden. Immer mehr Betriebe sehen sich dazu gezwungen, auf den Kartoffelanbau zu verzichten und stattdessen auf andere Kulturen zu setzen, um die Existenz ihrer Betriebe zu sichern. So ist die heimische Kartoffel-Anbaufläche heuer bereits zum dritten Mal in Folge zurückgegangen. Die Anbaufläche in Österreich hat sich seit dem Jahr 2020 von 24.251 ha auf 20.529 ha im Jahr 2023 verringert und ist damit um mehr als 15 % gesunken. Durch die kalte Witterung im Frühjahr konnten die Kartoffeln erst später gepflanzt werden, die kühlen Temperaturen bedingten weiters ein langsameres Wachstum. Die darauffolgende Hitze hat die Bestände zusätzlich gestresst. Bei Temperaturen über 25°C verlangsamt sich das Knollenwachstum, ab 30°C stellt die Kartoffelpflanze das Wachstum ein. Dies hat die neue Ernte stark verzögert, der Markt war leergeräumt und konnte in den letzten Wochen nur knapp versorgt werden. Durch die anhaltende Hitze und Trockenheit gibt es zum einen aktuell keine Zuwächse. Zum anderen ist die Ernte aufgrund des harten Bodens nicht möglich, die Knollen würden dabei beschädigt und geschädigte Knollen können nicht als Speiseware vermarktet werden.
Ausbau der Bewässerungsinfrastruktur dringend nötig
Die durch den Klimawandel stark veränderte Witterung ist einer der Hauptgründe für die prekäre Situation. Die Verschiebung der Vegetationsperioden sowie lange Trocken- und Hitzeperioden bei gleichzeitig fehlender Bewässerungsinfrastruktur setzen den Kartoffeln spürbar zu. Das Hauptanbaugebiet für Speisekartoffeln in Österreich ist das Weinviertel, gefolgt vom Waldviertel. Es ist bekannt, dass es in diesen Regionen zu wenig Niederschläge gibt. Die Bäuerinnen und Bauern reagieren bereits seit Jahren auf die sich ändernden Produktionsbedingungen, etwa mit einer geänderten Sortenwahl oder neuen Züchtungen. Um das Defizit an Wasser auszugleichen, braucht es jedoch auch eine entsprechende Wasserinfrastruktur auch außerhalb der klassischen Bewässerungsgebiete. So müssen etwa im Raum Hollabrunn, Mistelbach und Korneuburg dringend Möglichkeiten für die Bewässerung geschaffen werden. Landwirtschaftskammer NÖ-Vizepräsident Lorenz Mayr fordert: „In den traditionellen Kartoffel-Anbaugebieten ist es nicht möglich, die Felder zu beregnen. Wir brauchen aber auch in den nicht klassischen Bewässerungsgebieten dringend entsprechende Möglichkeiten zur Beregnung. Nur dann ist es möglich, die Versorgung mit heimischen Erdäpfeln in Zukunft sicherzustellen.”
Ohne Pflanzenschutz keine Selbstversorgung
Der zweite Hauptgrund für den Versorgungsengpass bei Kartoffeln ist der Wegfall bzw. die Einschränkung wirksamer Pflanzenschutzmittel, allen voran bei der Drahtwurmbekämpfung, aber auch bei Käferbefall, Krautfäulebehandlung und Krautminderung. Dieser Umstand hat es enorm erschwert, die Kultur gesund und in vermarktbarer Qualität bis zur Ernte zu bringen. Anita Kamptner, Geschäftsführerin der InteressenGemeinschaft Erdäpfelbau (IGE) betonte: „In den letzten Jahren wurden uns die Werkzeuge genommen, um Krankheiten und Schädlinge wirksam zu bekämpfen. Die Konsequenz zeigt sich im Rückgang der Flächen. Kein Betrieb kann es sich leisten, viel Geld in den Anbau zu investieren und dann zusehen zu müssen, wie die Kartoffeln bspw. dem Drahtwurm zum Opfer fallen und schließlich entsorgt werden müssen. Davon kann man nicht leben und auch keinen Betrieb erhalten.”