Am 13. Januar hatte der französische Premierminister François Bayrou die wichtigsten Landwirtschaftsverbände Frankreichs, darunter FNSEA, Jeunes Agriculteurs (JA), Coordination Rurale (CR) und Confédération Paysanne, getroffen, um die aktuellen Herausforderungen der Landwirte zu erörtern.
Wie die FSNEA daraufhin bekannt gab, habe das Treffen dazu beigetragen, die Grundzüge der landwirtschaftlichen Politik für die kommenden Monate zu skizzieren. FNSEA-Präsident Arnaud Rousseau forderte die Dringlichkeit der Verabschiedung eines Haushaltes, der rund 450 Mio Euro für steuerliche Maßnahmen und Soforthilfen beinhalte. Die Verbände sehen die bevorstehende französische Landwirtschaftsmesse “Salon de L’Agriculture”, die am 22. Februar beginnt, als Zieldatum für die Umsetzung ihrer Forderungen. Insgesamt habe Premier Bayrou die Vorschläge zur Neuausrichtung “aufmerksam angehört”, habe sich “sehr empfänglich” für die vorgebrachten Argumente und Forderungen gezeigt und verschiedene Maßnahmen angekündigt. Für die FSNEA und die Jeunes Agriculteurs stellte das Treffen einen “ersten Schritt in die richtige Richtung” dar, doch werde man bis zur Umsetzung an den bisherigen Mobilisierungen festhalten, so die Verbände in einer Mitteilung.
Landwirte von OFB-Beamten mit ”Dealer” verglichen
Derweil geht die Entrüstungen weiter, über die wir bereits im vergangene Woche erschienenen Frankreich Special berichtet hatten - hier geht es übrigens direkt zum e-Paper. Die Proteste richten sich u.a. auch gegen Behörden, darunter das “Büro für Biodiversität” (Office Française de la Biodiversité, OFB), auch “Umweltpolizei” genannt. Das OFB hat 3.000 Beamte, von denen 2.000 im Außendienst tätig sind. Darunter sind 1.700 “Umweltinspektoren”, die über administrative und gerichtliche Polizeibefugnisse verfügen, um die Einhaltung von Regeln durchzusetzen, etwa wenn es um den Einsatz von Pestiziden, das Roden von Hecken oder die Einhaltung von Dürreverordnungen geht. 2024 habe es nach Angaben des OFB 55 Angriffe auf Büros oder ihre Mitarbeitenden gegeben.
Die FNSEA und die Jeunes Agriculteurs hingegen wiederholten ihre Forderungen nach einem Stopp der Kontrollen in den Betrieben und einer vollständigen Überarbeitung der Agrarstandards. Die Stimmung ist aufgebracht, nachdem ein Mitarbeiter der OFB die Landwirte öffentlich kritisiert hatte. Wie Radio France berichtet, hatte er erklärt, dass er das Gefühl habe, “die Landwirte wollen uns nicht mehr in ihren Betrieben sehen. Das ist in etwa so, als würden die Dealer die Polizei bitten, nicht mehr in ihre Wohngebiete zu kommen”, so der Mitarbeitende auf dem Sender France Inter. Das OFB selbst distanzierte sich von der Äußerung. Für Arnaud Rousseau war die Aussage dennoch eine “klare Provokation”. Mitglieder der Gewerkschaft Coordination Rurale besprühten als Reaktion drei Büros des OFB mit Farbe. Arnaud Rousseau (FSNEA) forderte, dass alle Kontrollen in den Betrieben ausgesetzt werden, solange die geltenden Regeln nicht überarbeitet werden. “Was passiert ist, verdeutlicht, dass man nicht im Status quo bleiben kann, das ist untragbar”, kommentiert er bei Radio France und betonte erneut die Forderung nach Verhandlungsergebnissen bis zur gesetzten Deadline am 22. Februar, dem Start des Salon de l’Agriculture.
OFB: Statistisch eine Kontrolle “alle 120 Jahre”
Wie Euractiv berichtet, habe Premier Bayrou darauf reagiert, ein Überdenken der gesetzlichen Vorgaben versprochen und auch die Waffen kritisiert, die von den OFB-Beamten der “Umweltpolizei” im Dienst getragen werden. Sie „kommen mit einer Waffe im Gürtel auf einen Bauernhof, der bereits am Rande der Belastbarkeit steht, um einen Graben oder eine Wasserstelle zu überprüfen. Das ist eine Demütigung und daher ein Fehler“, so Bayrou in seiner Antrittsrede vor der Nationalversammlung am 14. Januar.
Sylvie Gustave-dit-Duflo, Präsidentin des OFB-Aufsichtsrates, reagierte sofort: Der Premier greife das OFB an, “ohne sich die Mühe gemacht zu haben, sich für unsere Aufgaben zu interessieren”, so die Präsidentin, und erinnerte daran, dass nur 7,5 % der jährlichen Kontrollen überhaupt in der Landwirtschaft stattfnden. “Die Wahrscheinlichkeit, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb von den 1.700 Umweltinspektoren kontrolliert wird, liegt bei einmal alle 120 Jahre”, kommentierte sie plakativ. Noch bis Ende Januar finden in Frankreich die Wahlen der Landwirtschaftskammern statt, im Februar folgt der Salon de L’Agriculture. Die kommenden Wochen könnten also weiter turbulent bleiben.