Invasive Arten beeinflussen die biologische Vielfalt in einem größeren räumlichen Ausmaß als bisher angenommen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigen Forschende der Eawag und der Universität Zürich, dass die Auswirkungen invasiver Arten weit über die Ökosysteme, in die sie eindringen, hinausreichen und dafür vor allem drei Mechanismen verantwortlich sind.
Diese Erkenntnisse seien für das Management von Ökosystemen von großer Bedeutung.
Invasive Arten sind auf der ganzen Welt verbreitet und haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Ökosystem, in das sie eindringen. Sie werden deshalb als eine der fünf wichtigsten Bedrohungen für die globale biologische Vielfalt und die Ökosysteme angesehen. Dass ihre Auswirkungen häufig über die Grenzen des betroffenen Ökosystems hinausreichen, zeigen nun erstmals zwei Forschende des Wasserforschungsinstituts Eawag in einer Studie. Postdoktorandin Tianna Peller und Florian Altermatt, Gruppenleiter an der Eawag und Professor für aquatische Ökologie an der Universität Zürich, haben in einer globalen Übersicht erstmals Beispiele für die ökosystemübergreifenden Auswirkungen invasiver Arten weltweit zusammengeführt. Daraus haben sie Erkenntnisse gewonnen, die das Ausmaß der ökologischen Bedrohung durch invasive Arten in ein neues Licht rücken. ”Unsere Arbeit zeigt, dass Auswirkungen invasiver Arten über die Grenzen von Ökosystemen hinweg ein allgegenwärtiges Phänomen sind”, erklärt Tianna Peller, ”sie führen zu Veränderungen der biologischen Vielfalt und der Ökosystemfunktionen auf der ganzen Welt.” Daher sei ein ganzheitliches Management von invasiven Arten erforderlich.
Wechselwirkungen zwischen Ökosystemen sind in der Natur weit verbreitet und verbinden z.B. Wälder und Seen, Grasland und Flüsse sowie Korallenriffe und die Tiefsee. In ihrer Arbeit zeigen die Forschenden auf, dass invasive Arten diese Wechselwirkungen auf drei verschiedene Arten beeinflussen. Erstens können sie die Menge an Organismen und Materialien verändern, die über die Grenzen der Ökosysteme fließen. Zweitens können sie die Qualität dieser Ströme verändern, was bspw. Einfluss darauf haben kann, wie wertvoll diese für die Tiere seien, die sie als Nahrung aufnehmen. Und drittens können invasive Arten neue räumliche Ströme zwischen Ökosystemen verursachen, die vor der Invasion der Art nicht existierten, z.B. durch sekundäre Pflanzenstoffe, die von invasiven Landpflanzen produziert werden und in aquatische Ökosysteme gelangen.
”Dadurch können invasive Arten ökologische Auswirkungen haben, die bis zu 100 km über das Ökosystem hinausgehen, in das sie eindringen”, erklären die Studienautoren. ”Während wir invasive Arten oft als aquatisch oder terrestrisch klassifizieren, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Auswirkungen invasiver Arten oft über die aquatisch-terrestrische Schnittstelle hinausgehen.”
Wie invasive Arten räumliche Abläufe stören und eine ganze Kaskade von Auswirkungen auf andere Ökosysteme in Gang setzen, lasse sich gut am Beispiel von Ratten veranschaulichen, die auf Inseln des Chagos-Archipels im Indischen Ozean eingeführt wurden. Die räuberischen Eindringlinge haben die Vogelbestände auf den Inseln erheblich reduziert. Weniger Vögel bedeuten weniger Vogelkot, wodurch der Stickstofffluss von den Inseln zu den Korallenriffen gestört wurde. Dies wiederum hatte Auswirkungen auf die Fische in den Riffen, deren Biomasse um bis zu 50 % zurückging. Dadurch wurden wichtige Ökosystemfunktionen der Fische, wie das Abweiden und die Bioerosion, stark beeinträchtigt.
Ein Beispiel aus der Schweiz zeige, wie invasive Arten neue räumliche Ströme zwischen Ökosystemen einführen können. Die Einschleppung des ursprünglich im Himalaya beheimateten Drüsigen Springkrauts hat dazu geführt, dass die von dieser Art produzierten sekundären Pflanzenstoffe in benachbarte aquatische Ökosysteme ausgewaschen werden und das Wachstum sowie die Reproduktionsraten von Wasserorganismen beeinträchtigen.
Insgesamt unterstreiche die Studie, wie wichtig es sei, bei der Bewertung der ökologischen Auswirkungen von invasiven Arten den breiteren räumlichen Kontext zu berücksichtigen. Sie zeige insbesondere, dass nichtheimische Arten nicht nur innerhalb klassischer Ökosystemkompartimente wie Meer, Land oder Süsswasser betrachtet werden sollten, sondern dass ihr Management eine ganzheitlichere Perspektive erfordert. ”Wenn wir verstehen, wie sich invasive Arten auf den Austausch zwischen Ökosystemen auswirken, können wir die Bewirtschaftungsmassnahmen gezielter einsetzen, um ihre Auswirkungen einzudämmen”, so Florian Altermatt.