Die Spediteure rechnen mit großen Verzögerungen, wenn Deutschland ab dem 16. September für sechs Monate die Pässe an den Grenzen kontrolliert. Der deutsche Branchenverband BGL fürchtet sogar um die Existenz von Transportunternehmen aus den Grenzregionen und auch der Branchenverband TLN schlägt Alarm, berichtet das Nieuwsblad Transport.
Grund für die Kontrollen, die die deutsche Innenministerin Nancy Faeser angekündigt hatte, sei eine erhöhte Terrorgefahr. An der polnischen Grenze gibt es seit Mitte Oktober 2023 verschärfte Kontrollen. Dabei wurden nach Angaben des Innenministeriums bereits 30.000 Menschen an der Einreise gehindert, und die Kontrollen führen regelmäßig zu langen Staus. An der Grenze zwischen Deutschland und Österreich gibt es bereits seit 2015 verschärfte Kontrollen.
”Von der Grenze zu Österreich wissen wir, dass diese Kontrollen zu zähfließendem Verkehr und auch zu Staus und Unfällen auf den entsprechenden Autobahnen führen können. Auch an der Grenze zu Polen, Tschechien und der Schweiz sind uns Wartezeiten gemeldet worden“, so Dirk Engelhardt, Präsident des BGL, gegenüber dem Fachmagazin Transport & Logistik. Für die Lkw-Fahrer wird es noch schwieriger werden, die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten, und die Lieferketten werden immer unberechenbarer“, glaubt Engelhardt.
TLN sieht eine ähnliche Situation an der niederländischen Grenze voraus. ”Während der Corona-Periode und der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland haben wir gesehen, welche weitreichenden Probleme Grenzkontrollen verursachen können. Die Autofahrer mussten manchmal unmenschlich lange warten. Darüber hinaus kostet jede Stunde Wartezeit 100 Euro pro Fahrer“, schreibt die Organisation. ”Wir befürchten einen großen wirtschaftlichen und sozialen Schaden, der dazu führt, dass Produkte nicht rechtzeitig ankommen, Handelsströme gestört werden und die Zeitpläne der Transportunternehmen ernsthaft durcheinander gebracht werden. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der EU und untergräbt damit das Schengener Abkommen und den freien Warenverkehr. Das hat schwerwiegende Folgen für einen Berufsstand, der damit nichts zu tun hat.“
Nach Ansicht des deutschen Wirtschaftsverbandes könnten Unternehmen, die häufig Grenzen überschreiten müssen, sogar in finanzielle Schwierigkeiten geraten. ”Wenn an den jetzt zusätzlich betroffenen Grenzen umfangreiche und dauerhafte Kontrollen durchgeführt werden, ist für die betroffenen Transportunternehmen ein erheblicher Mehraufwand zu erwarten, der insbesondere für die in den Grenzregionen ansässigen Unternehmen mit Schwerpunkt im grenzüberschreitenden Verkehr existenzgefährdend sein könnte“, befürchtet Engelhardt.
Strenge Grenzkontrollen könnten sich zu einem sehr ernsten Problem auswachsen, insbesondere für Unternehmen, die Just-in-Time-Transporte durchführen. Außerdem sollten die Umweltauswirkungen zusätzlicher Emissionen nicht außer Acht gelassen werden.
”Die offenen Binnengrenzen Europas sind eine wichtige europäische Errungenschaft und gerade für die Transport- und Logistikbranche von immenser Bedeutung“, so Engelhardt. Das Schengener Abkommen sieht vor, dass Einschränkungen dieses Rechts nur vorübergehend, als letztes Mittel und unter strikter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden dürfen. Die Idee des Schengen-Raums ist es, die Außengrenzen der EU bei offenen Binnengrenzen effizient zu sichern.
Letztlich hängen die tatsächlichen Auswirkungen der Grenzkontrollen auf den Verkehrssektor vor allem von der Intensität der Kontrollen ab. Wie streng diese sein werden, ist noch nicht bekannt.