Neue Gentechnik, etwa die Nutzung von Technologien wie der “Genschere” CRISPR/Cas9, für deren Entdeckung Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna 2020 den Nobelpreis für Chemie erhielten, sowie eine damit einhergehende Änderung der aktuellen Rechtsprechung, ist nach wie vor ein heiß diskutiertes Thema.
Während die Wissenschaft eine Anpassung der europäischen Gesetzgebung für angemessen zu halten scheint, sind die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin skeptisch, wie eine durch Forsa durchgeführte Umfrage der Organisation Foodwatch Ende September zeigte: Dort hätten sich 96 % der Befragten für eine Sicherheitsprüfung von Pflanzen ausgesprochen, die mit neuen Verfahren - also auch der Genschere - gentechnisch verändert wurden. 92 % seien der Meinung, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen - unabhängig davon, ob neue Verfahren oder klassische Gentechnik angewandt würde, berichtet Foodwatch.
LEH zwischen den Stühlen
Die Aurelia-Stiftung hat jüngst deutsche LEH-Vertreter nach einer Positionierung zu diesem Thema gefragt. Die ALDI-Gruppe habe daraufhin erklärt: „ALDI SÜD und ALDI Nord unterstützen weiterhin die Kennzeichnung der Produkte, die mittels neuer Gentechnik verändert wurden, um unseren Kunden die von Ihnen erwähnte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dafür benötigen wir das Vorsorgeprinzip mit einer angemessenen Risikobewertung und die Transparenz entlang der Lieferkette.”
Seitens REWE wurde sich zuletzt auf der Kölner Lebensmittelmesse Anuga positioniert, wo Vorstandsmitglied Dr. Daniela Büchel ebenfalls die Notwendigkeit einer Prüfung und entsprechenden Kennzeichnung der Lebensmittel betonte - auch, wenn es sich dabei um NGT handele. “Nur so können Wahlmöglichkeit und eine eigenverantwortliche Kaufentscheidung auch zukünftig gewährleistet werden”, so Büchel.
Ganz anders hätten die Unternehmen LIDL und EDEKA reagiert, heißt es in der Mitteilung der Aurelia-Stiftung weiter. EDEKA habe demnach auf ein Positionspapier des Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVLH) verwiesen, wo der Vorschlag der EU-Kommission unterstützt werde, nach dem weder eine Risikoprüfung noch eine Kennzeichnung für NGT-Pflanzen erforderlich wäre. Eine konkrete Stellungnahme von LIDL wird jedoch von der Aurelia-Stiftung zumindest in der veröffentlichten Meldung nicht explizit aufgeführt.
Im Juli hatte die Verbraucherzentrale Hamburg bereits bei Handelsunternehmen nachgefragt, wie mit dem Spagat zwischen EU-Entscheidung und Konsumentenbefürchtungen umgegangen wird. Die Reaktion sei damals einstimmig gewesen, dass man “die ablehnende Haltung der Verbraucherinnen und Verbraucher respektiere”, berichtete die VZ Hamburg. ”
Zwischen Potenzial und Patenten
In der Landwirtschaft werden derweil zwiespältige Stimmen laut. Während insbesondere Öko-Verbände sich gegen einen Einsatz von NGT in der Agrarwirtschaft äußern, betonte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, noch im April des laufenden Jahres, dass Genomeditierung den “Werkzeugkasten der Pflanzenzüchtung” erweitere und - unter den richtigen Rahmenbedingungen − ein großes Potenzial für die Erreichung der Farm-to-Fork-Ziele darstellen könne. Patente auf Organismen, biologisches Material oder Gensequenzen dürfe es dabei jedoch nicht geben. Dies betonte auch der Bundesrat, der Ende Oktober einen Vorschlag für eine EU-Verordnung als Änderung der bisherigen europäischen Gesetzgebung zum Thema unterbreitete − weiterführende Informationen zu diesem Vorschlag finden Sie hier.