Der maritime Sektor ist für etwa 80 % des internationalen Frachttransports verantwortlich und erzeugt jährlich rund 1,1 Mrd t CO2. Das soll sich ändern: Das Institut für Maritime Energiesysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt, optimiert und integriert eigenen Angaben zufolge Systeme für einen emissionsfreien Schiffsbetrieb.
Dies umfasse Transportkonzepte für alternative Kraftstoffe, notwendige Hafeninfrastrukturen und die Entwicklung emissionsfreier Schiffe. Am 21. Juni 2024 wurde der Betrieb der DLR-Außenstelle in Kiel auf dem Gelände der Werft German Naval Yards aufgenommen.
„Das DLR betreibt Spitzenforschung für eine lebenswerte, nachhaltige Welt. In unserer neuen Außenstelle in Kiel arbeiten wir an einer klimaschonenden Schifffahrt. Passend zu unserem Institut in Geesthacht errichten wir in Kiel die notwendige Testinfrastruktur, bestehend aus einem Prüfstand und einem emissionsfreien Forschungsschiff“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, die Vorstandsvorsitzende des DLR. „Die Emissionsreduzierung dieses Verkehrsbereichs ist eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen.“
Dieter Janecek, Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft und Tourismus, dazu: „Die Forschung zur klimaneutralen Schifffahrt ist ein wichtiger Baustein um die Klimaschutzziele auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu erreichen und eröffnete neue Chancen für die deutschen Schiffsbauer und Werften. Neben wissenschaftlicher Exzellenz gehört auch der Transfer der Ergebnisse in die Wirtschaft zur DNA des DLR. Das ist essentiell und wird durch die neue DLR-Außenstelle in Kiel voran getrieben, damit Innovationen auch zur Anwendung gelangen und einen Unterschied machen können.“
„Um Schifffahrt künftig klimafreundlich zu gestalten, ist es erforderlich, die gesamte maritime Energieversorgungskette in den Fokus der wissenschaftlichen Forschung zu stellen. Das Institut für Maritime Energiesysteme des DLR verfolgt genau diesen gesamtheitlichen Forschungsansatz an Land, aber auch mit einem eigenen Forschungsschiff für die seeseitige Erprobung. Mit der Realisierung einer neuen Außenstelle in Kiel werden wichtige Impulse für Wissenschaft und Wirtschaft in Schleswig-Holstein und auch darüber hinaus gesetzt“, sagt Guido Wendt, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur.
Innovative Forschungs- und Versuchsanlagen
Die geplanten Forschungs- und Versuchsanlagen in Kiel umfassen u.a. Lagerungsanlagen für alternative Kraftstoffe, Hybridantriebe, Teststände für Brennstoffzellen und Batterien sowie spezielle Mess- und Erprobungsstände. Unter Laborbedingungen werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler emissionsreduzierende Systeme und Komponenten entwickeln und kontinuierlich an zukünftige Bedingungen anpassen können, bevor sie in den Schiffs- und Hafenbetrieb integriert werden. Diese Anlagen ermöglichen es insbesondere auch Industrieunternehmen, neue Systeme und Technologien frühzeitig und kostengünstig auf ihre Realisierbarkeit zu testen.
Prof. Sören Ehlers, Direktor des DLR-Instituts für Maritime Energiesysteme, erläutert: „Wir haben ein umfassendes Verständnis des maritimen Gesamtsystems und kennen die Wechselwirkungen der einzelnen Systeme. Damit spielen wir eine international führende Rolle in der Erforschung, Entwicklung und Integration emissionsreduzierender Technologien für heutige und zukünftige Schiffe.“
Die Fachleute des DLR erforschen die notwendigen Energiespeicher in Form von Batterien und alternative Treibstoffe sowie deren Transport über Seewege. Geplant sei eine Außenversuchsanlage in Kiel, um die Lagerung und Bunkerung neuer Treibstoffe im Hafen zu entwickeln und zu erproben. Dies sei essentiell, um eine kommerzielle Versorgung von Schiffen mit neuen Kraftstoffen zu ermöglichen. Ein weiteres Beispiel für nachhaltige Antriebe seien Brennstoffzellen. Im Labor in Kiel werden in der ersten Phase Brennstoffzellen auf Treibstoffverträglichkeit und deren Verwendung unter maritimen Lastprofilen getestet. Durch die digitale Abbildung der Motoren und elektrischen Bauteile können die Belastungen im Labor untersucht werden, als wären die Komponenten auf See. „Damit sind wir in der Lage neben der Entwicklung der Komponenten auch zur deren Zertifizierung beizutragen“, so Ehlers.
Forschungsschiff und Digitaler Zwilling
Das DLR sei im Prozess der Beschaffung eines modular aufgebauten Forschungsschiffes, auf dem es möglich sei, verschiedene alternative Antriebe zu erproben und weiterzuentwickeln. Dieser schwimmende Demonstrator soll die Entwicklung von Systemen und Komponenten für die Binnen- und Seeschifffahrt so weit voranbringen, dass sie in naher Zukunft weltweit eingesetzt werden können. Das Einzigartige an diesem Schiff sei, dass es über diverse Forschungsstationen verfüge und einfache Konfigurationsänderungen für verschiedene Komponententests ermögliche.
Ein „digitaler Zwilling“ des Schiffs vervollständige die Forschungsinfrastruktur. In der Simulation können Versuche sicher und effizient durchgeführt werden. So können die Nutzungsbedingungen bei extremen Kräften vorhergesagt werden. Der „digitale Zwilling“ ermögliche Tests in Grenzbereichen und reduziere die Anzahl notwendiger realer Versuche. Außerdem wird die Skalierung der Systeme auf große Containerschiffe sowie kleinere Binnenschiffe und andere Schiffstypen möglich.