Die geforderte Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ab 2026 gefährdet die Wirtschaftlichkeit der O+G-Produktion und damit ein wichtiges Segment der Lebensmittelversorgung in Deutschland. Dies betrifft insbesondere die handarbeitsintensive Ernte von Spargel, Erdbeeren und anderen saisonalen Produkten, denn eine nochmalige Erhöhung des Mindestlohns wird zu massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen, so das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V.

Foto: SP-Pic/fotolia

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Seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 wurden in Deutschland 42 % der Freilandanbauflächen für Erdbeeren aufgegeben, und jeder vierte Spargelbetrieb in Deutschland hat seine Produktion eingestellt. Der Anteil der Löhne an den Gesamtkosten liegt z.B. bei Erdbeerbetrieben bei 50 % bis 60 %. Bereits das derzeitige Mindestlohnniveau von 12,41 Euro pro Stunde stelle für viele Obst- und Gemüsebauern eine große Herausforderung dar. Nur durch den moderaten Witterungsverlauf in diesem Jahr konnten kaum Übermengen und damit nur kurzzeitig unzureichende Preise eingefahren werden. So bestehe je nach Witterung immer wieder phasenweise die Gefahr, dass mehr Lohn gezahlt werden muss, als über den Erlös eingenommen werden kann.

Dieses Anbaurisiko wird durch zunehmende Wetterextreme, neue Schädlinge, fehlende Pflanzenschutzmittelzulassungen, fehlende Genehmigungen für Beregnungsbrunnen, überbordende Bürokratie und fehlende Arbeitskräfte verschärft, sodass die Betriebsaufgaben in den vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen haben. Hinzu komme ein spürbarer Vertrauensverlust der Erzeuger in die Politik der EU und des Bundes, der zu einem Investitionsstau und damit zu einer weiteren Schwächung des Standortes führe. Auch deshalb sei die potenzielle Nachfolgegeneration immer weniger bereit, den elterlichen Betrieb zu übernehmen.

Simon Schumacher, Vorstand im Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V., betont: „Die Mindestlohnerhöhung wird nicht nur den Personalaufwand deutlich steigern, sondern auch zu Ernteausfällen führen. Viele Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien, erreichen durch die höheren Löhne schnell ihre Einkommensziele und verlassen die Betriebe vorzeitig, unabhängig von der Erntesituation und ihres Arbeitsvertrags.“

Zusätzlich fördere die Erhöhung des Mindestlohns den Import von Obst und Gemüse aus Südeuropa und Übersee, da diese dort günstiger produziert und angeboten werden können. Dies stehe im Widerspruch zu den Klimazielen der Bundesregierung, da Importe in der Regel mit höheren CO₂-Emissionen verbunden sind. Gleichzeitig fährt die Bundesregierung kostenintensive Kampagnen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, während in Deutschland wertvolle Ernteerträge aufgrund der Arbeitsmarktsituation ungenutzt bleiben.

Das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V. fordert die Politik dazu auf, positive Signale zu senden und Ausnahmen für die Landwirtschaft bei den Mindestlohnregelungen zuzulassen. Eine flexible Handhabung, wie sie die EU-Mindestlohnrichtlinie erlaubt, sollte zugunsten der sensiblen Branche genutzt werden. Zudem appelliert das Netzwerk an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, zusätzliche Abkommen zur Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern abzuschließen. Ziel sei es, den steigenden Bedarf an motivierten und leistungsbereiten Arbeitskräften zu decken, die innerhalb eines dreimonatigen Aufenthalts ein zusätzliches Einkommen in Deutschland erzielen können. Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften aus Europa nimmt stetig ab. Gründe dafür sind die wachsende ganzjährige Beschäftigung in außerlandwirtschaftlichen Sektoren sowie der zunehmende Arbeitskräftebedarf in den osteuropäischen Herkunftsländern selbst.

In vielen europäischen Ländern wird der Bedarf an Saisonkräften bereits verstärkt durch Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten gedeckt: In Polen kommen vor allem Arbeitskräfte aus der Ukraine zum Einsatz, in Österreich arbeiten mittlerweile Menschen aus Vietnam in der Ernte, und in Italien dürfen auch indische Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig sein. Die Lohnkosten in diesen Ländern sind oft deutlich niedriger, und die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Arbeitskräften aus Drittstaaten ist höher. Dies verschaffe den landwirtschaftlichen Betrieben außerhalb Deutschlands im globalen Wettbewerb klare Vorteile. Um diese Wettbewerbsnachteile für die deutsche Landwirtschaft zu minimieren, fordert das Netzwerk der Spargel- und Erdbeerverbände die Bundesregierung dazu auf, verstärkt Abkommen für Saisonarbeitskräfte mit Ländern in Asien und Südamerika in den Blick zu nehmen.

Neben der Lohnfrage dränge die Branche auch auf eine bürokratische Entlastung bei der sozialversicherungsfreien Beschäftigung von Saisonarbeitskräften. Schumacher fordert, dass Betriebe bei Kontrollen durch Behörden mehr Planungssicherheit erhalten und nicht die alleinige Beweislast tragen müssen. „Die bisherige Haltung der Politik, die notwendige und positive Sonderlösungen für einzelne Branchen vermeidet, führt dazu, dass wertvolle Bestandteile der Lebensmittelproduktion weiter geschwächt werden und die Importabhängigkeit steigt. Wenn wir auch in Zukunft regionales Obst und Gemüse aus Deutschland auf den Tischen haben wollen, muss die Politik jetzt handeln.