Eine aktuelle Datenerhebung zeigt, dass Rückstände von chemisch-synthetischen Pfanzenschutzmitteln, die in der Luft gefunden wurden, auch in Bio-Agrarprimärprodukten nachweisbar sind. Die damit verbundenen Kosten trägt bisher allein die Bio-Branche, so der Bundesverband Naturwaren (BNN).
Beim Anbau von Bio-Lebensmitteln sei der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln grundsätzlich nicht erlaubt. Eine vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) und dem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) aktuell in Auftrag gegebene Kurzstudie zeige gleichwohl, dass von 2019 bis 2022 in über sieben Prozent Bio-Rohstoffen (sogenannten Agrarprimärprodukten) Pflanzenschutzmittel nachgewiesen wurden. „Die von der Branche selbst auferlegten Orientierungswerte für Pflanzenschutzmittel-Nachweise wurden nur sehr selten überschritten. Dennoch zeigt unsere Erhebung, dass eine Übertragung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel aus der konventionellen Landwirtschaft auf den Ökolandbau im relevanten Ausmaß stattfindet und eine Koexistenz dahingehend nicht funktioniert“, so Dr. Günter Lach von der Lach & Bruns Partnerschaft, welche die Kurzstudie mit Hilfe von anonymisierten Labordaten aus dem relana® Laborzirkel durchgeführt hat.
„Bio-Betriebe sind mit einem relevanten Mehraufwand und damit hohen Mehrkosten belastet, um die ‚Reinheit‘ ihrer Produkte zu beweisen. Denn theoretisch kann jedes Produkt durch Abdrift und Ferntransport kontaminiert sein. Immer wieder kommt es auch vor, dass ganze Ernten unverkäuflich sind.“ so Florian Riegel, Bio-Unternehmer und Mitglied im BEL. Gemeinsam mit dem BNN konkretisiert das BEL seine Forderung nach einem Pflanzenschutzmittelschadenfonds, um die finanziellen Verluste auszugleichen und den Wettbewerbsnachteil des Ökolandbaus zu minimieren.
Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des BNN: „Unsere langjährige Erfahrung im BNN-Pflanzenschutzmittelmonitoring zeigt einen besorgniserregenden Trend: Die Pflanzenschutzmittelbelastungen nehmen stetig zu. Für die Bio-Betriebe bedeutet dies eine ständig wachsende Belastung. Sie müssen immer mehr Eigenkontrollen finanzieren, um höchste Produktqualität garantieren zu können. Das ist eine ungerechte Mehrbelastung. Wir fordern daher, dass die Verursacher, also die Hersteller chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, endlich in die Pflicht genommen werden, diesen Nachteil fair auszugleichen.“
Jan Plagge, Präsident Bioland e.V.: „Die deutschen Behörden und die Politik sitzen seit Jahren die Abdriftproblematik aus. In der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln muss endlich der Schutz derjenigen Bauern in den Fokus gerückt werden, die ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wirtschaften. Ich spreche hier in einem ersten Schritt von einem Anwendungsverbot besonders flüchtiger Wirkstoffe wie den beiden Herbiziden Pendimethalin und Prosulfocarb. Wir warten auch seit 2015 auf das vom BMEL versprochene staatliche Monitoring von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in der Luft. Anstatt die Verursacher zu schützen, müssen diese mit in die Pflicht genommen werden. Ein Pflanzenschutzmittelschadenfonds kann hier ein Mittel sein, darf die Politik aber nicht von ihren Aufgaben entbinden.”