Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist seit dem 1. Januar 2023 für deutsche Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern gültig und verpflichtet diese zu bestimmten Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten.
Das Gesetz sieht unter anderem auch die Möglichkeit für NGOs vor, in Vertretung für die tatsächlich Betroffenen, ein Verfahren bei der zuständigen Überwachungsbehörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), zu beantragen.
Nun gibt es das erste Verfahren zu Obst und Gemüse. Von dieser Möglichkeit hat die NGO Oxfam kürzlich medienwirksam Gebrauch gemacht. Konkret geht es um potenzielle Menschenrechtsverletzungen in den Bananenlieferketten von Edeka und Rewe. Der Vorwurf: Die Unternehmen seien mit konkreten Menschenrechtsverletzungen in den eigenen Lieferketten konfrontiert worden und hätten aus Sicht von Oxfam daraufhin keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen.
Welcher Auswirkungen wird dieses Verfahren haben?
Das BAFA wird nun prüfen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen das LkSG vorliegt. Nach Aussage von Oxfam seien die verpflichteten Unternehmen hinreichend und konkret über potenzielle Menschenrechtsverletzungen bei einzelnen Erzeugerbetrieben in den Lieferketten in Kenntnis gesetzt worden. Oxfam berichtet ebenfalls, dass die verpflichteten Unternehmen daraufhin auch Maßnahmen nach dem LkSG ergriffen haben. Ein klarer Verstoß gegen das LkSG liegt daher bereits nach dem Antrag von Oxfam nicht vor. Streitig ist alleine die Frage, ob diese Maßnahmen ausreichend gewesen sind.
Über diese Frage hat nun das BAFA zu entscheiden. Die Bewertung dürfte aufgrund des sehr unbestimmten zugrundliegenden Gesetzes nicht leichtfallen. Es ist daher zu erwarten, dass das BAFA hier eine enge Rücksprache mit den betroffenen Unternehmen halten wird und vorerst auch keine Bußgelder festsetzen wird.
Mehr Rechtssicherheit für die Auslegung
Das Verfahren kann erste Anhaltspunkte für die künftige Auslegung des Gesetzes geben. Es geht unter anderem um die Grundsatzfrage, inwieweit sich ein Unternehmen auf Zertifizierungen verlassen darf, bzw. ab wann über die Zertifizierung hinaus weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Eine weitere Grundsatzfrage ist, wie umfangreich die Maßnahmen sein müssen, die die Unternehmen ergreifen müssen. Bspw., ob es erforderlich ist, mit den Gewerkschaften vor Ort zusammenzuarbeiten. Zuletzt betreffen die Fälle auch die Frage, ab wann substantiierte Kenntnis bezüglich einer Verletzung vorliegt. Auf diese Fragen wird das BAFA nun Antworten finden müssen, die gegebenenfalls auch einer gerichtlichen Prüfung standhalten müssen. Das Verfahren, davon gehen Expertinnen und Experten aus, wird branchenweite Auswirkungen haben.