Die Herausforderungen im Schweizer Steinobstmarkt, insbesondere in der Kirschenproduktion, sind vielschichtig: Schwankende Erntemengen, Sortenvielfalt, Lagerprobleme und der Preisdruck setzen die Branche unter Druck, berichtet der Landwirtschaftliche Informationsdienst (lid).

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Image: Renate Hodel

Beim Steinobstseminar im Dezember 2024 wurden Lösungsansätze diskutiert – von einer stärkeren Fokussierung auf Qualität und Frische bis hin zur Bewältigung der Preissensibilität der Konsumenten. Doch der Weg zu einem nachhaltig wirtschaftlichen Markt bleibe anspruchsvoll. 

”Wir sind kein Veredelungs- oder Verarbeitungsbetrieb, sondern Vermarkter und Dienstleister”, erklärte Markus Hämmerli, Leiter des Departements Frische und Lebensmittelsicherheit bei der Fenaco-Tochter Inoverde, und betonte, dass Inoverde sich als Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Konsumenten versteht. ”Aber es ist eine Herausforderung unserer Aufgabe als Bindeglied zwischen der produzierenden Landwirtschaft und unseren Kunden, dem Detail- und Grosshandel, gerecht zu werden”, erläuterte er weiter und ergänzte: ”Denn sobald die Ware bei uns ist, ist sie noch nie besser geworden.” Diese Ausgangslage erschwere es, insbesondere in Jahren mit grossen Erntemengen.

So sind die Schwankungen in den Erntemengen laut Markus Hämmerli eine der größten Herausforderungen. ”In den vergangenen 14 Jahren hatten wir mehrfach schwierige Jahre in der Kirschenproduktion mit außerordentlichen Maßnahmen wie Exporten, Pflückstopps oder der Vernichtung von Ware”, erklärte er.

Erntemengen über 2.000 t seien in der heutigen Konfiguration eine große Herausforderung und das, obwohl das eigene Vermarktungskonzept eigentlich 3.000 t Kirschen vorsehen würde. Die Diskrepanz zwischen Einkauf und Verkauf betrug im Jahr 2024 rund 20 % – ein Fünftel der übernommenen Kirschen wurden also nie verkauft. ”Das ist weder nachhaltig noch ökonomisch”, gibt Markus Hämmerli zu bedenken.

Sortenvielfalt zwischen Segen und Stolperstein

Eine weitere Komplexität ergibt sich durch die regional unterschiedlichen Erntezeitpunkte und die Vielfalt der Sorten. Die verschiedenen Reifezeiten der einzelnen Sorten sollten eigentlich eine bessere Planung ermöglichen, sind aber seitens der Produktion wetterbedingt eben kaum beeinflussbar. Je nach Witterung kann es sein, dass die mittelspäte Kirschensorte Kordia früher reif ist und dann mittelfrühe Sorten wie Christiana konkurrenziert. ”Wir haben frühe Sorten aus späten Lagen, die auf mittelfrühe Sorten aus frühen Anbauregionen treffen – das führt zu einer Überlappung der Reifezeiten und hohen Lagerbeständen”, so Markus Hämmerli.

”In Spitzenzeiten haben wir in einer Erntewoche 30 verschiedene Kirschensorten im Wareneingang – das macht die Verkaufsplanung nahezu unmöglich und sorgt für eine heterogene Präsentation am Point of Sale”, erläutert er. Zwar habe man lagertechnisch große Fortschritte gemacht, auch mit dem Ziel, den Markt bei solchen Überlappungen zu stabilisieren. Die Lagerung ist gleichzeitig aber problematisch: ”2024 hatten wir Kirschen, die drei bis vier Wochen gelagert wurden – das widerspricht unserem Vermarktungskonzept und führt zu einem erheblichen Verlust an Frische und Qualität”, erläuterte Markus Hämmerli.

Eine Branche im Spannungsfeld

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Image: FV Photography/AdobeStock

Diese Problematik wirke sich auch auf die Konsumentenwahrnehmung aus, den Kunden schätzten Kontinuität: ”Wenn sie heute eine Sorte Kirschen kaufen, die ihnen besonders gut schmeckt, erwarten sie, diese auch morgen wieder zu finden – das ist bei einer solchen Sortenvielfalt kaum zu garantieren und führt zu Frustration am Verkaufspunkt”, erklärte Markus Hämmerli.

Stephan Blunschi von der Migros bestätigte diese Beobachtung und betonte, dass die Kundinnen und Kunden heute hohe Ansprüche haben: ”Der Kunde will alles, er will es gleichzeitig und er will es immer.” Die Realität, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse von Wetterbedingungen abhängig sind, werde dabei oft übersehen. So sorge es für Unverständnis, wenn Obst durch Hagel beschädigt sei oder bestimmte Sorten nicht verfügbar seien, wenn zum Einkaufszeitpunkt draussen die Sonne scheine.

Welches Kaliber soll’s sein?

Ein weiteres emotionales Thema ist die Kaliberverteilung und deren Einfluss auf die Preisgestaltung. Der Markt verlangt von den Produzenten bei Kirschen große, süße und knackige Kirschen – was sich auch beim Preis widerspiegelt: Der Abgangspreis ab Verladeplatz betrug für Kirschen mit dem Kaliber 22 mm+ in den vergangenen Jahren bei knapp 5 CHF pro Kilogramm, beim Kaliber 24 mm+ bei rund 7 CHF pro Kilogramm und für Kirschen mit dem Kaliber 28 mm+ rund 8.40 CHF pro Kilogramm. Für Produzenten bedeutet dies also je größer, desto besser.

Während 2024 im Wareneingang von Inoverde aber 59 % der Kirschen ein Kaliber von 28 mm+ aufwiesen, waren es beim Verkauf nur 43 %. Der höhere Preis für die ganze großen Kirschen setzt also einen falschen Anreiz: ”Der große Preisunterschied zwischen den Kalibern ist ein emotionales Thema und wir müssen klären, ob die Preisdifferenz gerechtfertigt ist”, bekannte Markus Hämmerli.

Und zu welchem Preis?

Gleichzeitig stellt aber die Preissensibilität der Konsumenten ein Problem dar. Auch bei Kunden, die preisorientiert einkaufen, stehe die Qualität sehr weit oben, erklärte Stephan Blunschi von der Migros. Diese Beobachtung werden von Inoverde gestützt: ”Schweizer Kirschen sind ein Premiumprodukt – dennoch sehen wir, dass sie vor allem während Aktionen verkauft werden”, erklärte Markus Hämmerli und ergänzte: ”Dies untergräbt den Premiumcharakter der Kirsche und birgt ein Imagerisiko.”

Das Spannungsfeld zwischen hochwertiger Ware und günstigen Preisen ist somit ein zentraler Treiber, so Stephan Blunschi. Gleichzeitig forderten Konsumenten eine verantwortungsbewusste Produktion, seien jedoch kaum bereit, Kompromisse beim Geschmack und der Qualität einzugehen.

Qualität vs. Preis als Strategiefrage

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Image: Africa Studio/AdobeStock

Sowohl Stephan Blunschi wie auch Markus Hämmerli betonten, dass die Herausforderung des Steinobstsektor von der ganzen Branche gemeinsam angegangen werden müssen. So sehen sie bei der Zusammenarbeit in der Branche beide viel Potenzial, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

”Ich wünsche mir, dass wir weniger über Lagerverluste und Aktionsbeiträge sprechen, sondern die Qualität und Frische wieder in den Fokus stellen”, so Markus Hämmerli. Dazu gehöre auch eine Schärfung des Sortenportfolios und die Weiterentwicklung der Produktionsstrukturen. Nur so könne die Homogenität erhöht und die Effizienz gesteigert werden.

”Die Marktchance besteht darin, eine gute Qualität zu einem günstigeren Preis anbieten können”, betonte derweil Stephan Blunschi. Während Markus Hämmerli also die Wertigkeit der Produkte stärker betonen will, sieht Stephan Blunschi die Notwendigkeit, die Preisorientierung der Kundschaft zu bedienen. Und so zeigt sich, dass es trotz Dialogbereitschaft in der Branche noch keine einfachen Lösungen gibt, um den Steinobstmarkt nachhaltig und wirtschaftlich zu sichern.