Forschende der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) haben nun erstmals mit einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage den gesamten Prozess des Lebensmittelkonsums von der Planung des Einkaufs bis zum Verzehr und der Entsorgung untersucht.
„Bislang haben sich Studien mit Einzelaspekten beschäftigt. Aber Lebensmittelkonsum ist ein Prozess, der Entscheidungen in verschiedenen Phasen miteinander verknüpft. Eine solche Gesamtschau wurde bislang nicht vorgenommen“, schildert Prof. Dr Alexander Danzer Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre/Mikroökonomik an der KU. Die Studie mit Schwerpunkt auf die Verhaltensökonomie hat seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Helen Zeidler durchgeführt.
Sie hat die insgesamt 1.273 Teilnehmenden zweimal mit mehrmonatigem Abstand befragt und dabei zum einen Informationen zum Lebensmittelkonsum im engeren Sinne erfasst: Welche Produkte wurden in den vergangenen sieben Tagen weggeworfen und warum? Sind auch zubereitete Speisen im Müll gelandet? Zum anderen erfragte sie bei den Personen generelle Einstellungen und Haltungen ab. „Dabei zeigte sich, dass insbesondere solche Personen zum Wegwerfen von Lebensmitteln neigen, die sich zwar Pläne für die Zukunft machen, dann jedoch davon abweichen – etwa im Hinblick auf die Absicht, mehr Sport zu treiben oder Geld zu sparen. Denn solche Vorhaben bringen zwar Vorteile in der Zukunft, sind jedoch in der Gegenwart mit Aufwand verbunden“, so Zeidler.
Solche Menschen kaufen zwar gesunde Produkte ein, deren Zubereitung sei jedoch im Vergleich zu Fertigprodukten oder Snacks aufwendiger, sodass dieser Personenkreis dann vom ursprünglichen Plan abweiche, der beim Einkaufen gefasst wurde. Zugleich seien Obst und Gemüse, aber auch Brot, Milchprodukte und Fleisch verderblicher. Deshalb zeigt die Studie, dass ein Großteil der Lebensmittelverschwendung ausgerechnet durch die Entsorgung gesunder Lebensmittel entstehe, deren Konsum zu lange aufgeschoben werde.
Zeidler erklärt: „Die überwiegende Mehrheit der Lebensmittel wird bei der Lagerung verschwendet: 57 % der befragten Personen geben an, dass sie in den vergangenen sieben Tagen zu Hause Lebensmittel gefunden haben, die verdorben waren. 24 % der Personen geben an, dass sie Lebensmittel weggeworfen haben, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war. Und 20 % der Befragten geben an, Reste weggeworfen zu haben, die im Kühlschrank oder Gefrierschrank zum weiteren Verzehr aufbewahrt wurden.“
Das Phänomen, zu Hause von Plänen abzuweichen, die man beim Einkauf getroffen hat, ist in der Bevölkerung keine Seltenheit: „Insgesamt neigt knapp die Hälfte der Befragten dazu, von Präferenzen abzuweichen, die sie für die Zukunft getroffen haben“, schildert Helen Zeidler. Dabei sei es nicht wichtig, ob die Menschen auf dem Land oder in der Stadt wohnten. Auch das Geschlecht oder der Bildungsgrad mache keinen Unterschied im Hinblick auf Lebensmittelverschwendung. Auffallend sei jedoch, dass ältere Menschen tendenziell weniger Lebensmittel entsorgen würden, ebenso Befragte, die mehr Erfahrung in der Zubereitung von Speisen hätten. Zudem zeige sich, dass Personen die öfter – und vielleicht weniger gezielt – einkaufen, mehr Lebensmittel wegwerfen.
„Das Verhalten des Personenkreises, der zur Lebensmittelverschwendung neigt, ist eine Konsequenz, die nicht beabsichtigt ist“, so Zeidler. Dass der noch beim Einkauf so verlockende Salat dann doch im Kühlschrank in Vergessenheit gerät, weil man ihn erst zubereiten muss, führt sie auf eine tendenzielle Ungeduld zurück: „Früher waren es gerade die ungesunden Speisen, die in der Zubereitung den größten Aufwand machten. Doch die heutige Verfügbarkeit von vorproduzierten Lebensmitteln hat zu einer grundlegenden Veränderung im Verhalten beigetragen.“
Viele führten Lebensmittelverschwendung darauf zurück, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zu wenig über die Zubereitung von Produkten wüssten. „Ich halte das im Hinblick auf Erwachsene für naiv, da es mehr braucht als Kochrezepte für eine grundlegende Änderung in der generellen Verhaltensstruktur, deren Grundlagen schon in der Kindheit gelegt werden“, so Zeidler.
Ein entscheidender Faktor sei die ständige Verfügbarkeit von vorproduzierten Speisen zu niedrigen Preisen, der eine Tendenz zur Lebensmittelverschwendung erst ermögliche. Sowohl im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung als auch die Auswirkungen für die Umwelt betont die Wissenschaftlerin: „Lebensmittelverschwendung und ungesunde Ernährung haben ohne Zweifel große Kosten für die Gesellschaft insgesamt. Es könnte deshalb nicht nur für entsprechende Personenkreis hilfreich sein, wenn von staatlicher Seite etwa steuerliche Hebel genutzt werden, um die Preisgestaltung von Produkten zu beeinflussen.“