Foto: Piman Khrutmuang/AdobeStock

Foto: Piman Khrutmuang/AdobeStock

Hohe Kosten, geringe Margen, wenig Innovation: 'Der ohnehin margenschwache Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist im internationalen Innovationswettbewerb schlecht aufgestellt', erklärte Dr. Mirko Warschun, Handelsexperte und Partner der internationalen Managementberatung Kearney. Den eskalierenden Kosten und aggressiven Wachstumsstrategien aus dem Online- und Technologiebereich könnten die Einzelhändler demnach fast nichts entgegensetzen.

„Während die internationale Konkurrenz in zukunftweisende Technologien investiert und Innovationen mit spürbaren Kundenvorteilen zur Marktreife bringt, bleiben die deutschsprachigen Einzelhändler mehrheitlich in Bereichen, die ihnen beim Einkaufserlebnis nichts bringen', so Warshun. Die Handelsexperten von Kearney haben die im Lebensmittelhandel weltweit angemeldeten Patente im Detail untersucht und zueinander in Relation gebracht. Die Analyse zeigt, dass Händler in Deutschland trotz ihrer reichen Innovationsgeschichte (bspw. bei Einkaufswagen und Produktdisplays) in den letzten fünf Jahren weniger Innovationen hervorgebracht haben als die internationale Konkurrenz und reine Online-Player. So hat Walmart 92 % von seinen mehr als 2.000 Patenten seit 2016 angemeldet hat, während von Aldi, Rewe und Edeka nur gut 25 % der insgesamt 158 Patente auf die letzten fünf Jahr entfallen. Lediglich LIDL zeigt mehr Innovationsbewusstsein und hat 60 Prozent seiner Patente seit 2016 angemeldet. Dennoch: Die meisten ihrer Patente stammen im deutschen LEH nicht aus Spitzentechnologien, sondern aus traditionellen Bereichen wie Produktpräsentationen, Kassensystemen und Speisenzubereitung. Unterdessen konzentrieren sich internationale Einzelhändler und reine Online-Anbieter auf Blockchain, das Internet der Dinge, autonome und Drohnenlieferung sowie virtuelles Einkaufen. Die meisten Innovationen der deutschsprachigen Händler sind inkrementell, imitierbar und nicht differenzierbar, was bedeutet, dass sie nicht viel zum Branding der Einzelhändler beitragen. Im Gegensatz dazu liefern neue Marktteilnehmer wie Technologie-Start-Ups disruptive Innovationen mit einem unmittelbaren Erlebniseffekt für die Kundinnen und Kunden. Bspw. offerieren Gorillas und Flink Lebensmittellieferungen innerhalb von zehn Minuten, und der Anbieter von Kochboxen, HelloFresh, hat die gesunde Ernährung zu Hause neu erfunden, ebenso wie Eat Simple Food und Too Good To Go. Doch es gibt auch Ausnahmen: Edeka hat mit der Erfindung des Easy Shoppers die Customer Journey verbessert und die Personalkosten gesenkt. Kunden müssen sich damit nicht mehr an der Kasse anstellen und ihre Waren aus dem Einkaufswagen auf das Kassenband und dann in die Tüte legen. 'Der Markteintritt von Technologie-Unternehmen bringt neue Risiken für etablierte Einzelhändler, auf die nur mit disruptiven Innovationen, die einen Unterschied im Einkaufserlebnis machen, reagiert werden kann', meinte Adrian Kirste, Partner der internationalen Managementberatung Kearney. Traditionelle Einzelhändler laufen Gefahr, ihre treuen Kunden an das neue Angebot zu verlieren. 'Die Lebensmittelhändler in DACH müssen jetzt handeln und innovativ sein, wenn sie nicht relevante Marktteilnehmer an die mutige und kreative Konkurrenz verlieren wollen.'