Fast vier von zehn Menschen können in Nordrhein-Westfalen (NRW) keinen Supermarkt innerhalb von zehn Minuten zu Fuß erreichen. Das ist ein Befund einer Erreichbarkeitsanalyse des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung. Vor allem in ländlichen Regionen ist das Einkaufen ohne Auto schwer. Die Ergebnisse sind jetzt im ILS-TRENDS „Darf es etwas näher sein?“ erschienen.
Die Wissenschaftler Johannes Aertker, Thomas Klinger und Frank Osterhage haben dafür die Erreichbarkeit von Lebensmittelgeschäften in NRW für unterschiedliche Raumtypen, Zeitpunkte und Verkehrsmittel analysiert. Hierbei wurden Geschäfte mit mindestens 400 m² Verkaufsfläche berücksichtigt. „Der fußläufig erreichbare Supermarkt oder Discounter spielt für Fragen der Raumentwicklung eine wichtige Rolle und er ist auch bei der Wahl des Wohnstandorts ein entscheidender Faktor“, erläutert Osterhage.
Der Lebensmitteleinzelhandel befindet sich seit Jahren im Wandel: Das Angebot hat sich mehr und mehr auf Supermärkte und Discounter an nachfragestarken Standorten konzentriert. Die Anzahl der Betriebe nahm in den vergangenen Jahren weiter ab, die durchschnittliche Verkaufsfläche der Betriebe ist gleichzeitig größer geworden. „Weniger Verkaufsstätten mit einer im Durchschnitt größeren Verkaufsfläche bedeuten für die Kundschaft in der Regel längere Einkaufswege“, so Aertker.
Wer in NRW über ein Auto verfügt, erreicht nach wie vor schnell ein Lebensmittelgeschäft. Für 99,1 % der in NRW lebenden Menschen beträgt die Fahrzeit zum nächsten Supermarkt oder Discounter weniger als zehn Minuten. Auch für den Einkauf mit dem Fahrrad sind den ILS-Analysen zufolge die Voraussetzungen noch vergleichsweise gut. Immerhin 92,6 % sind mit dem Fahrrad innerhalb von zehn Minuten beim nächsten Lebensmittelgeschäft. Ein ganz anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn die fußläufige Erreichbarkeit bei der Nahversorgung in den Blick genommen wird. Landesweit können fast vier von zehn Menschen kein Lebensmittelgeschäft innerhalb von zehn Minuten zu Fuß erreichen. Gerade für weniger mobile Gruppen wie beispielsweise ältere Menschen ist das ein Problem.
Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass vor allem die Versorgung in sehr ländlichen Regionen mit schlechter sozioökonomischer Lage defizitär ist. Wenn kein Lebensmittelgeschäft mehr im Ort vorhanden ist, ist es zum Teil schwierig oder gar nicht möglich ohne Auto einzukaufen. Das steht auch den Zielen im Bereich der nachhaltigen und klimafreundlichen Mobilität entgegen. „Unsere Analysen zeigen aber auch konkrete Ansatzpunkte“, erläutert Klinger. „Wir sehen Potenziale beim Ausbau des Rad- und E-Bike-Verkehrs etwa durch Maßnahmen wie gute Abstellmöglichkeiten und attraktive Radwege.“ Auch kleinere Lebensmittelgeschäfte und alternative Angebotsformen wie bürgerschaftlich getragene Dorfläden, mobile Supermärkte, Hofläden oder Lebensmittelautomaten können zur Schließung dieser Versorgungslücken im Bereich des stationären Handels beitragen. Das Team des ILS will diese Angebotsformen nun weiter untersuchen.