Mit keinem anderen Material lässt sich so effizient verpacken wie mit Kunststoff. 24 g Kunststoff reichen im Durchschnitt aus, um 1 kg Produkt sicher zu verpacken. Andere Materialien benötigen dafür im Durchschnitt 116 g, also fast die fünffache Menge. Die im Auftrag der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen durchgeführte Studie vergleicht die Materialeffizienz aller relevanten Packstoffe wie Glas, Papier/Pappe/Karton (PPK), Eisenmetalle, Aluminium und Kunststoff und ist repräsentativ für den Verpackungsverbrauch privater Haushalte in Deutschland, so die GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung.
Da verwundert es nicht, dass die Substitution von Kunststoffverpackungen durch andere Materialien zu einem Anstieg des Verpackungsverbrauchs führt. Das widerspricht dem Vorschlag der EU-Kommission, den Pro-Kopf-Verpackungsverbrauch bis 2040 schrittweise um insgesamt 15 % zu reduzieren. Dennoch wird im EU-Parlament derzeit über ein Sonder-Reduktionsziel für Kunststoffverpackungen debattiert. Die Verpackungsmarktexperten der GVM sehen hier einen klaren Zielkonflikt: Die Verpackungsreduktionsziele der EU wären nicht erreichbar, wenn in erheblichem Maße leichte Kunststoffverpackungen durch schwerere Verpackungsmaterialien ersetzt würden. Bereits die Substitution von 10 % der Kunststoffverpackungen würde zu einem Anstieg des haushaltsnah anfallenden Verpackungsmülls um 10 % bis 20 % führen.
Doch damit nicht genug. Ein Sonder-Reduktionsziel für Kunststoff würde auch den Trend zu Faser-Kunststoff-Verbunden und laminierten Papierverpackungen verstärken, zulasten der Kreislaufwirtschaft. „Die einfachste Art Kunststoff einzusparen besteht darin, Papier mit Kunststoff zu beschichten“, erklärt Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft in der IK. „So entstehen Laminate oder Verbundwerkstoffe, die zwar weniger Kunststoff benötigen, aber meist mehr Gewicht auf die Waage bringen und schlechter zu recyceln sind als Monomaterial. Insbesondere lässt sich der enthaltene Kunststoffanteil dann nicht mehr recyceln.“
Dabei kann der Verpackungsverbrauch auch auf sinnvolle Art reduziert werden – ganz unabhängig vom Packstoff. Etwa indem die Verpackungen bei gleichem Inhalt kleiner und leichter gemacht werden. Hierauf hat die Kunststoffverpackungsindustrie in den vergangenen Jahrzehnten viel Innovationskraft verwendet, erläutert Schmidt. „Seit Anfang der 1990er Jahre haben Kunststoffverpackungen im Durchschnitt ein Viertel ihres Gewichts verloren“, so Schmidt. So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich, lautet die Devise, die auch die EU-Kommission in der Verpackungsverordnung zur gesetzlichen Anforderung machen will. Auch Mehrwegverpackungen können nach Ansicht des Verbands einen sinnvollen Beitrag zur Verpackungsreduktion leisten, etwa im Groß- und Einzelhandel, in der Take-away-Gastronomie oder im Versandhandel. Dort ist der Verpackungsverbrauch in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark gewachsen. „Aber es muss schon genau hingesehen werden, denn Mehrweg ist nicht immer die ökologischere Wahl gegenüber Einweg – auch in diesem Punkt muss die Politik vorurteilsfrei vorgehen, wenn sie keine Symbolpolitik betreiben will“, sagt Schmidt.
Die Plastikdiskriminierung zeigt sich im Entwurf der EU-Verpackungs-verordnung jedoch auch bei den Mehrwegquoten. Hier sind zahlreiche Ausnahmen für faserbasierte Verpackungen vorgesehen. Die IK wehrt sich gegen diese ökologisch nicht gerechtfertigten Ausnahmen. „Wo Mehrweg-verpackungen aus Umweltgründen gefördert werden sollen, darf es keine pauschalen Ausnahmen für bestimmte Materialarten geben, sonst wird nur ein Einwegprodukt durch ein anderes ersetzt“, warnt Schmidt.
Die Umweltziele der EU können nur durch einen fairen ökologischen Wettbewerb aller Materialien erreicht werden. Der Ersatz von Kunststoff führt nicht zum Ziel, denn jedes Material besitzt einen ökologischen Fußabdruck. „Die Politik muss sich nun entscheiden, ob sie es ernst damit meint, den Verpackungsverbrauch nachhaltig zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern oder nur Symbolpolitik betreibt, indem sie das Plastik-Bashing in Gesetze gießt.“