Bis zum Durchbruch des intermodalen Güterverkehrs in der EU, bei dem verschiedene Transportmittel kombiniert werden, wird es noch dauern. Dies liege daran, dass für Züge und Binnenschiffe derzeit nicht die gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschten wie für Lkw, heißt es in einem vom Europäischen Rechnungshof veröffentlichten Bericht. Bei den Bemühungen, den Güterverkehr von der Straße zu holen, seien die regulatorischen Hindernisse sowie Probleme mit der Infrastruktur, die andere Verkehrsträger benachteiligten, nicht wirksam beseitigt worden. Diese Problematik müsse in Angriff genommen werden, wenn die EU ihren ökologischen Zielen gerecht werden wolle, sagt der Europäische Rechnungshof.
Der Transport auf der Straße ist die flexibelste – und oft auch schnellste und billigste – Art, Waren zu liefern. Deshalb werden drei Viertel der Güter in der EU noch immer über die Straße befördert. Allerdings verursachen die dafür eingesetzten Lkw viel Verschmutzung. Eine Verlagerung des Güterverkehrs weg von der Straße und eine verstärkte Nutzung anderer Verkehrsträger wie Schiene oder Binnenwasserstraßen sind daher von zentraler Bedeutung, um den Güterverkehr umweltfreundlicher zu gestalten. Um dies zu erreichen, stellte die EU zwischen 2014 und 2020 mehr als 1,1 Mrd Euro an Unterstützung für Intermodalitätsprojekte bereit.
'Die Dekarbonisierung des Verkehrs ist entscheidend, um das Ziel der EU zu erreichen, die Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal zu verringern', so Annemie Turtelboom, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. 'Intermodalität spielt dabei eine zentrale Rolle, doch ist der Güterverkehr in der EU in dieser Hinsicht nicht auf dem richtigen Kurs.'
Die Prüfer stellten fest, dass die EU über keine spezielle Strategie für den intermodalen Güterverkehr verfügt. Das Thema Intermodalität sei eher Teil breiterer Anstrengungen zur 'Ökologisierung des Güterverkehrs', in deren Rahmen spezifische quantitative Ziele für die verstärkte Nutzung von Schiene und Binnenwasserstraßen festgelegt worden seien. Da diese jedoch unverbindlich seien, hätten die einzelnen EU-Länder ihre eigenen Ziele festgelegt. Diese nationalen Ziele seien nicht unbedingt vergleichbar und nicht auf die EU-Vorgaben abgestimmt worden. Es sei daher nicht möglich zu beurteilen, ob die nationalen Anstrengungen zusammengenommen ausreichten, um die allgemeinen Ziele der EU für die Verkehrsverlagerung zu verwirklichen. In jedem Fall seien die Ziele der EU für 2030 und 2050 (letztlich eine Verdoppelung des Schienenverkehrs und eine Steigerung der Nutzung von Wasserstraßen um 50 %) einfach unrealistisch, so die Prüfer.
Die Prüfer bemängeln außerdem, dass einige EU-Vorschriften die Attraktivität des intermodalen Verkehrs beeinträchtigen. Die derzeit geltende, aus dem Jahr 1992 stammende Fassung der Richtlinie über den kombinierten Verkehr sei veraltet und wirkungslos. So sei etwa mangels eines digitalisierten Arbeitsablaufs ein von den Bahn- oder Hafenbehörden während der Beförderung abzustempelndes Papierdokument zu verwenden. Mehrere Versuche der Europäischen Kommission, die Richtlinie zu überarbeiten, hätten keine Zustimmung seitens der Mitgliedstaaten gefunden. Andere EU-Bestimmungen, insbesondere über den Straßengüterverkehr, liefen dem Ziel einer verstärkten Intermodalität bisweilen sogar entgegen. Die Probleme im Bereich Kapazitätsmanagement und Interoperabilität dürften fortbestehen, sollten keine neuen Rechtsvorschriften – etwa zur Reservierung von Trassen für den Schienengüterverkehr, zu Änderungen beim Vorrang von Personen- gegenüber Güterzügen oder zu den Sprachkenntnissen von Zugführern – erlassen werden.
Die Prüfer weisen zudem darauf hin, dass es in den EU-Ländern bei der Anpassung der Infrastruktur an die technischen Anforderungen des EU-Rechts zu Verzögerungen gekommen ist. So wäre etwa der Einsatz von 740 m langen Zügen – dies ist die nach EU-Recht zulässige Höchstlänge – eine der Maßnahmen, mit denen am meisten Kosten eingespart werden könnten und die die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Straße somit am stärksten verbessern würden. Allerdings könnten Züge dieser Länge theoretisch nur auf der Hälfte der sogenannten Kernnetzkorridore des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) betrieben werden. Außerdem hindere der Mangel an Informationen über intermodale Terminals und über Netzkapazitäten die Speditionen und Logistikunternehmen daran, ihren Kunden gute intermodale Transportlösungen anzubieten. Der Vorschlag zur Überarbeitung der TEN-V-Verordnung habe das Potenzial, die Situation verbessern. In seiner derzeitigen Form sei das Güterverkehrsnetz der EU aber schlicht und einfach noch nicht für den intermodalen Verkehr geeignet, schlussfolgern der Prüfer.