Gute Ernährung ist besonders in der Kindheit wichtig, weil sie für das weitere Leben prägend sein kann. Wie das Essverhalten von Kindergartenkindern in Richtung gesunder Nahrungsmittel beeinflusst werden kann, wurde in einer Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Werner Sommer von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) in Zusammenarbeit mit der Universität Münster und der University of Nairobi untersucht.
Die Studie wurde angeregt durch ein Experiment des Sozialpsychologen Karl Duncker aus dem Jahr 1938, das gezeigt hat, dass eine einfache Geschichte die Geschmacksvorlieben von Kindern über mehrere Tage hinweg in ihr Gegenteil verkehren kann.
Jeweils ca. 80 Vorschulkinder in kenianischen Kindergärten im Alter von vier bis sechs Jahren nahmen an zwei Verhaltensexperimenten teil. Über drei bis vier Wochen wurde den Kindern eine täglich wechselnde kleine Auswahl gesunder oder weniger gesunder Snacks angeboten, aus denen sie sich jeweils einen aussuchen durften. Im ersten Experiment waren die gesunden Snacks verschiedene Obstsorten und im zweiten Experiment roh verzehrbare Gemüsestücke (z.B. Karotten, Gurken); die weniger gesunden Snacks waren in beiden Experimenten Kekse, Kuchen oder auch Bonbons.
Geschichte über magisches Gemüse, das Kräfte verleiht
Zu Beginn der zweiten Studienwoche erzählten die Betreuerinnen allen Kindern eine Geschichte. Sie handelt davon, dass eine für ihre leuchtenden Farben berühmte Stadt über Nacht alle Farbigkeit verlor, sie aber dank der Helden der Geschichte – Kinder, wie die Zuhörer – wiedererlangte. In getrennten Gruppen wurde die Geschichte in einer von zwei Varianten erzählt. Einmal war die Ursache für den Verlust der Farbigkeit, dass der Maler, der für die allnächtliche Auffrischung der Farben in der Stadt verantwortlich war, zu viel Ungesundes gegessen hatte und erkrankt war. Mit Hilfe von magischem Gemüse, das ihm von den Kindern gebracht wurde, konnte er jedoch rasch genesen und seine Tätigkeit wieder aufnehmen.
In der zweiten Variante, die der Kontrollgruppe erzählt wurde, war die Geschichte ähnlich aufgebaut, jedoch lag der Verlust der Farbigkeit an der schlechten Qualität der verwendeten Farben. In dieser Variante brachten die Helden der Geschichte dem Maler qualitativ hochwertige Farben, mit denen er wieder erfolgreich arbeiten konnte.
Aussichtsreiche Möglichkeit, Essvorlieben positiv zu beeinflussen
Nach dem Tag, an dem die Kinder eine der beiden Geschichten gehört hatten, wurde ihnen für weitere zwei bis drei Wochen die tägliche Snackauswahl angeboten. In der Woche bevor die Geschichten erzählt wurden, wählten die Kinder überwiegend das weniger gesunde Angebot. Unmittelbar nach dem Hören der Geschichte über das magische Gemüse kehrten sich die Präferenzen jedoch um zugunsten des gesunden Angebots: im ersten Experiment war es Obst, im zweiten Experiment Gemüse, was die Kinder gegenüber den ungesunden Nahrungsmitteln bevorzugten. Diese Wirkung ließ zwar allmählich nach, war jedoch etwa ein bis zwei Wochen lang nachweisbar. Die Geschichte über die qualitativ schlechten Farben hatte dagegen keine Auswirkung auf die Snack-Auswahl der Kinder.
„Mit einer einzigen Erzählsequenz von nur etwa 20 Minuten erreichten wir eine überraschend starke Veränderung von einer Vorliebe für ungesunde Snacks hin zu einer Vorliebe für gesunde Früchte oder Gemüse. Wir halten das für eine vielversprechende Perspektive, die Essgewohnheiten von Kindern zu verbessern“, sagt Studienleiter Werner Sommer von der HU.
Die Forschenden vermuten, dass die Geschichten eine suggestive Wirkung auf das interne Wertesystem der Kinder hat, die ihre Handlungsentscheidungen, also die Auswahl der Nahrungsmittel, steuert. Sie gehen davon aus, dass sich die Präferenz von Kindern in Richtung gesunder Nahrungsmittel dauerhaft wirksam beeinflussen lässt, wenn das Vorlesen von Geschichten wie die des magischen Gemüses mit anderen geeigneten Maßnahmen kombiniert wird. So könnten bspw. unterschiedliche Geschichten zu ausgewählten gesunden Nahrungsmittel vorgelesen und mit entsprechenden Zubereitungs-Aktivitäten und einer Mahlzeit kombiniert werden.