Der vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderte KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen zur nachhaltigen Verpackungsentwicklung durch den Einsatz künstlicher Intelligenz stellt in einer deutschlandweiten Aktion im November an vier verschiedenen Standorten erste große Meilensteine vor.
In Aachen, Darmstadt, Dresden und Nürnberg präsentieren Experten der mehr als 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft unter anderem eine visionäre Verpackungsentwicklungs-Software sowie IT-Modelle für die erstmalige Verknüpfung multipler Akteure der Kunststoff-Verpackungsindustrie in einem virtuellen Datenraum.
Dass Verpackungen wichtig sind, um gerade Lebensmittel vor schädlichen Einflüssen und Verderb zu schützen, ist hinlänglich bekannt. Die jeweiligen Anforderungen an die Verpackung sind je nach Produkt äußerst vielfältig und komplex, die Kombinationsmöglichkeiten schier endlos: Hygiene, Frische, Geruchsschutz oder der Schutz gegen Beschädigung sind nur einige der entscheidenden Parameter für die Auswahl der richtigen Verpackung. Neben Funktionalität gilt es auch, Design, Kundenakzeptanz und Kosten zu beachten sowie die Frage der Umweltverträglichkeit und Ökobilanz.
Gerade die Ökobilanz spielt eine immer größere Rolle. Da Kunststoffverpackungen bekanntlich schwer abbaubar sind, ist es umso wichtiger diese zu recyceln und im Kreislauf zu führen. Das fordert auch eine neue EU-Verordnung, wonach bis 2030 alle Verpackungen aus Kunststoff zu einem Mindestanteil von bis zu 35 % aus Rezyklaten hergestellt werden müssen. Hier setzt nun die Forschung des KI-Anwendungshub an, welcher in zwei Innovationslabore gegliedert ist: K3I-Cycling und KIOptiPack.
Ganzheitliches Verpackungsdesign dank KI-Einsatz
Im Rahmen des Innovationslabors KIOptiPack haben es sich die Wissenschaftler zusammen mit den beteiligten Partnern und Unternehmen zur Aufgabe gemacht, eine komplett neue, branchenübergreifende Software zu entwickeln, welche eine ganze Reihe oben genannter Anforderungen an eine Kunststoffverpackung berücksichtigen kann und mit Hilfe von mathematischen Modellen und KI-basierter Methoden zu einer Gesamtschau vereint. Nach vollständiger Integration aller Daten, schlägt zukünftig die Software bestmögliche Verpackungsdesigns für ein bestimmtes Produkt bei gleichzeitigem minimalem Materialaufwand vor. Aktuell fügen führende Akteure aus allen Bereichen der Verpackungswirtschaft bestehende Software-Bausteine zusammen, die verschiedenste Faktoren berücksichtigen, wie beispielsweise die Haltbarkeit des Produktes, die Ökobilanz einer Verpackung, deren Auswirkungen auf die Umwelt, den Einsatz von Rezyklaten und sogar die Konsumentenakzeptanz. Damit wird es den Unternehmen erstmalig ermöglicht, ohne aufwendige Testphasen und zusätzlichen Materialeinsatz zu einer optimalen Verpackungslösung im Sinne der Nachhaltigkeit zu kommen.
„Stellen Sie sich die innovative Software wie ein persönliches Navigationssystem für die Verpackungsherstellung vor. So wie ein Navigationsgerät verschiedene Routen analysiert und die beste Strecke vorschlägt, bündelt diese Software alle relevanten Faktoren und bietet Empfehlungen zur Optimierung“, erzählt Dr.-Ing. Malte Schön, Projektleiter KIOptiPack am Institut für Kunststoffverarbeitung IKV an der RWTH Aachen.
So konnten die KI-Hub-Experten kürzlich mit Hilfe der schon existierenden Software-Elemente in einer Studie zu Fleischwaren-Verpackungen und deren Umweltauswirkungen vorab nachweisen, dass die Antwort auf mehr Nachhaltigkeit bei derlei Frischwaren entgegen allen Erwartungen nicht unbedingt in der Reduzierung der Verpackungsmenge liegt. Weniger Verpackung führt nicht automatisch zu weniger Umweltlasten – wenn nämlich deren Einsparung eben nicht die erforderliche Haltbarkeit bewirkt und der Verbraucher sein Lebensmittel dann, statt es zu konsumieren, entsorgen muss.
Gemeinsamer Datenraum für nachhaltige Verpackungslösungen
Ein weiterer Meilenstein des KI-Anwendungshubs ist ein eigens entwickeltes elektronisches System, welches die Erfassung und Verknüpfung von Informationen verschiedenster Akteure der Verpackungsindustrie erlaubt, um nachhaltigere Produktionsprozesse etablieren zu können – mit anderen Worten, eine gemeinsame Infrastruktur und einen Datenaustausch über Fabriktorgrenzen hinaus. Beides wird zukünftig essenziell notwendig sein, um Rezyklate besser in Verpackungslösungen einarbeiten zu können.
Deren mitunter heterogene Qualität stellt die Branche vor besondere Herausforderungen, weil oft nicht klar ist, aus welchen Bestandteilen die Rezyklate eigentlich bestehen oder wie viele und welche Störstoffe sie eventuell noch beinhalten – von den Rezyklat-Herstellern über Unternehmen, die Verpackungsfolien produzieren bis hin zur Lebensmittelindustrie braucht es in Zukunft also einen systematischen Datenaustausch und eine einheitliche Begriffssprache.
„Um diesen Austausch sinnvoll zu gestalten, mussten wir in einem ersten Schritt eine völlig neue Ontologie, also Datensprache für die gesamte Branche entwickeln. Eine Art ‚Duden‘ für alle Akteure der Wertschöpfungskette“, erklärt Prof. Dr. Christoph Quix vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT. „Einzelne Datensätze können so konkreten und allgemeingültigen Oberkategorien und Bezeichnungen zugeordnet werden und für alle zugänglich und nutzbar gemacht werden.“
Am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Dresden wird dazu im Rahmen der Open Hub Days auch erstmals ein IT-Verknüpfungsmodell für einen geplanten Datenaustausch auf Basis der geschaffenen Kategorien vorgestellt. Das zeigt, wie über eine Art gesicherten Daten-Highway verschiedenste Akteure und Unternehmen und deren Informationen miteinander verbunden werden können. Die Daten selbst bleiben dabei geschützt auf den Rechnern der einzelnen Akteure - keiner muss also sensible Informationen an mögliche Mitbewerber preisgeben. Auch auf diese Weise können wiederum Rückschlüsse auf Materialverhalten von Verpackungen gezogen werden, die schnellere und bessere Materialentwicklungen ermöglichen.
„Wir als Forscher freuen uns, mit unseren Entwicklungen einen Beitrag in Richtung Transformation hin zu nachhaltigeren, auf gesicherten Daten beruhenden Verpackungslösungen leisten zu können“, freut sich Prof. Marek Hauptmann, Projektleiter Anwendung KIOptiPack vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV. „In einem nächsten Schritt wollen wir ähnliche Forschungsprojekte auch für die Papierindustrie auf den Weg bringen.“