In Frankreich herrscht Unmut über die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union. Einerseits erscheinen den Landwirten die neuen Auflagen als zu belastend, andererseits bieten die Regelungen nicht genügend Anreize, um tatsächlich etwas zu ändern, stellt die französische Seite web-agri dazu fest.
Denn die Öko-Regelungen, die in jedem Land individuell umgesetzt wurden und zusätzliche Anreize und Fördergelder für diejenigen Landwirte bieten soll, die besonders umweltfreundlich handeln, seien weniger ansprechend als zunächst gedacht, um größere Veränderungen einzuleiten. Sehen wir uns an, warum das so ist: Die Öko-Regelung ruht in Frankreich auf drei Pfeilern, über welche die Landwirte Unterstützung erhalten können: Erstens durch Nachweis zusätzlicher, freiwilliger agrarökologischen Praktiken, zweitens durch bestimmte umweltfreundliche Zertifikate, etwa das Bio- oder das HVE-Label (Haute Valeur Environnementale, zeichnet hohe Umweltqualität im Anbau aus) sowie drittens durch die Förderung der Artenvielfalt. Dabei werden bei allen drei Aspekten zwei Level − ein Standard- und ein höheres Niveau − unterschieden, die dann wiederum über das Maß der zusätzlichen Förderung entscheiden. Klingt erst einmal verständlich. Allerdings hat die französische Regierung diese Direktzahlungen so niedrigschwellig angesetzt, dass 99,6 % der Landwirte direkt in die Standard-Stufe der Öko-Regelungen fallen, ohne ihr bisheriges Arbeiten zu verändern, hat INRAE-Forscherin Marie Lassalas beobachtet.
Zu wenig Anreize
Um von der Standard-Stufe in das nächste Niveau aufzusteigen, seien immer noch 85 % der Betriebe direkt qualifiziert, ohne, dass sie an ihrer alltäglichen Arbeitsweise einschneidende Veränderungen vornehmen müssten, zeigt sie auf. Da der Unterschied der Beihilfen pro Hektar nur knapp 20 Euro betrage (rund 45,50 Euro gegenüber 62 Euro), sei der Anreiz entsprechend gering, sich stärker für umweltfreundliche Praktiken zu engagieren − noch dazu, da damit auch Einkommenseinbußen einhergingen, die von den zusätzlichen Geldern nicht aufgefangen würden, so Lassalas Erkenntnis.
Unzufriedene Landwirte
Hinzu kommt, dass die Beihilfen insgesamt gesenkt wurden. Denn so gut ein niedrigschwelliges Angebot an Unterstützung zunächst daherkommt: Die Gelder müssen schließlich für alle reichen, ohne weitere Belastung für den Haushalt zu generieren. Dementsprechend hat die französische Regierung die Beihilfen für Bio-Betriebe von 110 Euro/ha auf 92 Euro/ha reduziert, für HVE-zertifizierte Betriebe von 80 Euro/ha auf 62 Euro/ha, das Standardniveau wird von 62 Euro/ha auf 45,50 Euro/ha gesenkt. Dass die Landwirte davon alles andere als begeistert sind, ist verständlich: Zuletzt haben in dieser Woche aufgebrachte Landwirte in der Bretagne und in Nouvelle-Aquitaine mit Dutzenden Traktoren Straßen lahmgelegt und vor Verwaltungsgebäuden für eine Änderung der Regelungen demonstriert. Es bestehe eine deutliche Schere zwischen Worten und Taten seitens der Regierung, man erwarte, von den Verantwortlichen angehört zu werden, wenn es um biologische Landwirtschaft und die Öko-Regelungen gehe, erklärte Dominique Madec von der zweitgrößten französischen Landwirtschaftsvereinigung Conféderation Paysanne in einem Video. Es sei ohnehin zynisch, erst im Herbst 2023 festzustellen, dass die im Haushalt eingeplanten Mittel für Agrar- und Klimaschutzmaßnahmen zu niedrig angesetzt worden seien, heißt es seitens der Vereinigung.
Schmaler Grat
Dabei sei eine Änderung der Bestimmungen ein sehr schmaler Grat: Verschärft man sie, riskiere dies direkt die Existenzgrundlage vieler Landwirte, von denen 40 % ohne GAP-Beihilfen kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften könnten, so Chatellier. ”Es ist nicht einfach, Umwelt und Wirtschaft in Einklang zu bringen”, kommentiert web-agri daher am Ende des Beitrags, der sicherlich nicht das Ende der dazugehörigen Diskussionen darstellt.