Die Europäische Kommission will weitere Agrarwaren aus Russland und Belarus mit Einfuhrabgaben belegen. Vor allem der Import von Düngemitteln soll erschwert werden. Einen entsprechenden Vorschlag präsentierte die Brüsseler Behörde am 28. Januar 2025.

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Image: Europäische Kommission

Ziel ist es, die Abhängigkeit der EU-Landwirtschaft weiter zu verringern. Der Vorschlag soll nun vom EU-Parlament sowie vom Rat beschlossen werden und würde danach unmittelbar in Kraft treten. Laut Kommission beziehen sich die vorgeschlagenen Zölle vor allem auf bestimmte Düngemittel auf Stickstoffbasis. Konkret sollen die betroffenen Produkte rund 15 % der landwirtschaftlichen Einfuhren aus Russland im Jahr 2023 ausmachen. Sollte der Vorschlag verabschiedet werden, würden nach Angaben der Kommission alle Agrarwaren aus Russ- land unter einem EU-Zollregime liegen. Die Brüsseler Behörde verfolgt mit dem nun präsentierten Entwurf das Ziel, die Abhängigkeit des eigenen Agrarsektors von Einfuhren aus Russland und Belarus zu verringern. Insbesondere die Importe von Düngemitteln würden die EU anfällig für mögliche Zwangsmaßnahmen Russlands machen und somit ein Risiko für die Ernährungssicherheit in der Gemeinschaft darstellen.

Heimische Düngemittelindustrie stärken

Gleichzeitig hegt die Kommission die Hoffnung, dass die geplanten Grenzabgaben das Wachstum der heimischen Produktion und der Düngemittelindustrie der EU fördern werden. Zudem werde auch die Diversifizierung der Versorgung aus Drittländern ermöglicht. Überdies wird auf in dem Vorschlag enthaltene Ausgleichsmaßnahmen verwiesen. Diese würden für den Fall, dass die Landwirte in der EU einen erheblichen Anstieg der Düngemittelpreise erleben, aktiviert. Ferner erwartet Brüssel, dass sich die Zölle negativ auf die russischen Exporteinnahmen auswirken und damit Russlands Fähigkeiten, seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen, beeinträchtigen werden. Allerdings konstatiert die Kommission auch, dass der Transit sämtlicher landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Düngemittel aus Russland und Belarus in Drittländer von den nun geplanten Maßnahmen unberührt bleiben soll. Damit komme man seinen Verpflichtungen, die Ernährungssicherheit weltweit und insbesondere für Entwicklungsländer zu fördern, nach. Konkret bedeutet das etwa, dass der An- und Verkauf russischer Agrarerzeugnisse ebenso unverändert bleiben würde wie die Lagerung in EU-Zolllagern sowie der Transport auf EU-Schiffen. Auch die Erbringung von entsprechenden Versicherungs- und Finanzierungsdienstleistungen soll nicht eingeschränkt werden.

IVA wünscht Zölle auf Kalidünger

Der Industrieverband Agrar (IVA) begrüßte den Vorstoß der EU-Kommission. Er fordert allerdings auch, dass neben Stickstoffdüngern auch Kalidüngemittel umfassender miteinbezogen werden sollten. Nach Angaben des Industrieverbandes hat Deutschland im Wirtschaftsjahr 2023/24 insgesamt gut 924.000 t an stickstoffhaltigen Düngern eingeführt. Das seien zwar 10,2 % weniger als im vorherigen Wirtschaftsjahr gewesen; allerdings immer noch 17,6 % mehr als in der Saison 2021/22. Aus Russland kamen demnach zuletzt nachweislich gut 140.000 t, nach mehr als 185.000 t im Vorjahr und nur knapp 57.000 t in der Kampagne 2021/22. Allerdings gibt der IVA zu bedenken, dass Sekundärimporte, die Deutschland über die Niederlande oder Belgien erreichen, durch die amtlichen Zahlen nicht nachvollziehbar seien, weshalb die tatsächlichen Zahlen noch höher ausfallen könnten. Auch nach Frankreich sind die russischen Düngemittellieferungen in den vergangenen beiden Jahren höher ausgefallen als vor Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022. Dem Verband der französischen Düngemittelhersteller (Unifa) zufolge wurden im Zeitraum Januar bis November 2024 insgesamt rund 511.000 t Düngemittel aus Russland eingeführt. Im Gesamtjahr 2023 waren es sogar 757.000 t, während es vor drei Jahren 402.000 t gewesen waren. Allerdings stellt ähnlich wie der IVA auch Unifa fest, dass diese Zahlen zu niedrig angesetzt sein könnten, da die innergemeinschaftlichen Handelsstatistiken keine genauen Angaben zu den Herkunftsländern enthalten. Von den 750.000 t, die 2023 importiert wurden, entfiel dem Verband zufolge der größte Teil auf Stickstoffdünger, nämlich rund 490.000 t. Es folgten die Mehrnährstoffdünger mit 220.000 und Kalidünger mit 47.000 t.    

Kritik aus dem Berufsstand

Als „katastrophal“ bezeichnen derweil die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) den Kommissionsvorschlag. Neben zu erwartender Kritik an den Zollplänen auf Stickstoffdünger aus Russland und Belarus beklagen die Dachverbände fehlende Maßnahmen zur Diversifizierung der Bezugsquellen. Sie drängen weiterhin auf die unmittelbare Abschaffung der Antidumpingzölle auf Einfuhren von Harnstoff, Ammoniumnitrat und HAN-Gemischen aus den USA sowie Trinidad und Tobago. Zudem werden Ausnahmen von der EU-Nitratrichtlinie gefordert. So pochen Copa- Cogeca immer noch darauf, den derzeitige Grenzwert von 170 kg N pro Hektar für organischen Dung zu lockern. EU-Agrarkommissar Christophe Hansen wird aufgefordert, in diesen Fragen rasch konkrete Lösungen zu finden. Andernfalls könne sich eine neue Agrarkrise entwickeln.  AgE