Die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedstaaten sind mehrheitlich der Auffassung, dass die neuen genetischen Techniken einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten können. Wie Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdeněk Nekula auf der Abschlusspressekonferenz des informellen Agrarratstreffens in Prag berichtete, hat eine Reihe von Wissenschaftlern der Ministerrunde in Vorträgen die Vorteile der Genschere CRISPR/Cas erläutert und die Vorzüge bei der Zucht von Pflanzen auf Trockenresistenz oder auf eine bessere Nutzung der Nährstoffe aufgezeigt.
Dem Prager Agrarressortchef zufolge sind sich die EU-Landwirtschaftsminister darin einig, dass es zeitnah eines Kommissionsvorschlages zur Neuregelung des Einsatzes der neuen gentechnischen Verfahren bedürfe. Anderenfalls ergäbe sich für die EU zunehmend die Gefahr, dass ein „Brain-Drain“ von Wissenschaftlern in Drittstaaten stattfinde. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sicherte zu, dass die Kommission im zweiten Quartal 2023 einen Gesetzesvorschlag zum Gentechnikrecht präsentieren werde. Es sei wichtig, dass der Vorschlag ausgewogen sei. Beispielsweise müsse der Ökolandbau in hinreichender Weise vor einer Kontamination mit Produkten, die mittels der neuen gentechnischen Verfahren gewonnen worden seien, geschützt werden.
Laut Nekula versprechen sich die Minister auch von der Präzisionslandwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit Lebensmitteln. Wichtig sei allerdings, dass die Techniken einfach zu bedienen und nicht zu teuer seien. Gerade für kleinere Betriebe sei es entscheidend, den Investitionsbedarf niedrig zu halten. Des Weiteren ist es dem tschechischen Agrarminister zufolge im Sinne der Ernährungssicherheit ebenso von großer Bedeutung, endlich die viel zu hohe Lebensmittelverschwendung wirksam einzudämmen. Nekula verwies darauf, dass weltweit mehr als 4 Mrd t an Nahrungsmitteln produziert würden. Hiervon würden jedoch schätzungsweise 1,3 Mrd t oder ein Drittel verschwendet. In der Europäischen Union landeten im Durchschnitt je Einwohner gut 170 kg an Lebensmitteln im Jahr auf dem Müll.
Im Vorfeld der Zusammenkunft in Prag hatte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, gefordert, dass sich Deutschland beim EU-Agrarministertreffen in Prag den wissenschaftlichen Empfehlungen anschließen und sich klar für den Einsatz von neuen Züchtungstechnologien in der Landwirtschaft aussprechen solle. Die FDP-Politikerin wies darauf hin, dass der Krieg in der Ukraine und die Folgen des Klimawandels mit extremen Dürreperioden in diesem Sommer bereits die Schwachstellen im globalen Ernährungssystem aufgezeigt hätten. „Diesen müssen wir endlich entschlossen begegnen“, betonte die Liberale. Laut Conrad gehört dazu auch, die moderne Biotechnologie und grüne Gentechnik „als enorme Chance“ zu sehen, so wie es das von der tschechischen Ratspräsidentschaft vorgelegte Diskussionspapier beschreibt. Statt weiter zu zaudern und der Bremsklotz von Innovationen in der EU-Agrarpolitik zu sein, müsse Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir alles daran setzen, dass die Landwirtschaft auch künftig auf die Herausforderungen des Klimawandels vorbereitet sei. Derweil hielt sich der Grünen-Politiker hinsichtlich dieses Themas zumindest in der Öffentlichkeit bedeckt. AgE