Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat gelangt womöglich aus einer ganz anderen Quelle in die Umwelt als bisher vermutet, berichtet Spektrum der Wissenschaft. Statt der Landwirtschaft könnten Waschmittel für den größten Teil der Umweltbelastung mit der umstrittenen Chemikalie verantwortlich sein.
Das gehe aus einer Untersuchung hervor, bei der ein Team um die Umweltchemikerin Carolin Huhn von der Universität Tübingen Konzentrationen von Glyphosat und seinem Abbauprodukt AMPA in europäischen und US-amerikanischen Flüssen verglich.
Das Verhältnis zwischen Glyphosat und seinem Abbauprodukt AMPA müsste variieren, wenn es aus der Landwirtschaft in die Böden und Flüsse gelangen würde: Wenn der Regen die Substanzen rasch nach dem Ausbringen von den Feldern schwemme, sollte mehr Glyphosat und weniger Abbauprodukt vorhanden sein; wenn die Chemikalien erst einige Zeit nach dem Ausbringen in den Gewässern landen, müsste sich das Mengenverhältnis ändern bzw. umkehren. Die Wissenschaftler beobachteten jedoch konstante Verhältnisse.
Die Anomalie würde erklären, weshalb in Europa die bisherigen Maßnahmen, die Glyphosatbelastung zu reduzieren, so schlecht wirken. So sei das Herbizid z.B. in Luxemburg seit 2021 komplett verboten – die Daten von Huhns Arbeitsgruppe zeigen jedoch keinen dazu passenden Rückgang von Glyphosat im Oberflächenwasser.
Von der Substanz DTPMP, kurz für Diethylentriaminpenta(methylenphosphonsäure), landen jährlich ca. 3.000 t in Waschmitteln, dazu kommen rund 1.500 t in Kühlkreisläufen, industriellen Reinigungsmitteln und weiteren Anwendungen. „Wir haben es hier schon mit einem Stoff zu tun, der für die Gewässer relevant ist“, urteilt Huhn. Selbst wenn Kläranlagen 80 % bis 90 % dieser Stoffe zurückhalten, gelange noch eine beträchtliche Menge in die Gewässer.
Ein wesentliches Indiz sei der Vergleich mit den USA. Dort nämlich werden Stoffe wie DTPMP nicht in Waschmitteln eingesetzt, und das für die Agrarindustrie typische Muster an Glyphosatemissionen sei in den Flüssen erkennbar. In Europa dagegen verdecke demnach das mutmaßlich aus der Waschmaschine stammende Glyphosat das Muster aus der Landwirtschaft.
Stellen sich die Ergebnisse der Gruppe als richtig heraus, habe das laut Carolin Huhn direkte Konsequenzen: „Dann müsste das REACH-Verfahren für DTPMP neu aufgerollt werden“ – die Substanz müsste also bei der Europäischen Chemikalien Agentur (ECHA) neu registriert werden, eine Risikobewertung würde dann auf Grund der neuen Daten vorgenommen.