Mehr als die Hälfte der Unternehmen hierzulande stuft die Wirtschafts- und Standortpolitik in Deutschland aktuell als Problem für die eigene Entwicklung ein.
Das zeigt die Konjunkturumfrage Herbst 2023 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „51 % sehen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Geschäftsrisiko. Besonders alarmierend ist, dass wir diesen Wert erstmals auch in der Industrie gemessen haben”, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei der Vorstellung der Umfrage, die auf den Rückmeldungen von 24.000 Unternehmen aus nahezu allen Branchen und Regionen basiert. Danach rechnen nur 13 % der Unternehmen für die nächsten zwölf Monaten mit einer Verbesserung ihrer Geschäfte, mehr als ein Drittel (35 %) gehen von einer Verschlechterung aus.
„Wir sehen bislang keine Anzeichen für einen sich selbst tragenden Aufschwung – im Gegenteil: Die Unternehmen haben sowohl ihre dafür wichtigen Investitionspläne als auch ihre Beschäftigungsabsichten nach unten korrigiert – jeweils ins Minus”, so Wansleben. „Angesichts dieser insgesamt trüben Aussichten rechnen wir in diesem Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,5 %. Auch für das nächste Jahr erwarten wir lediglich Stagnation mit einer schwarzen Null.” Zu schlechten konjunkturellen Vorgaben kommen strukturelle und dauerhafte Herausforderungen hinzu: erhebliche geopolitische Risiken, demografische Veränderungen, Technologieumbrüche, Klimawandel und Energiepolitik.
Einfach mal den Reset-Knopf drücken
„Trotz dieser Zahlen und der schlechten Stimmung ist uns aber eine Botschaft wichtig: Deutschland hat die Chance, genau jetzt vieles besser zu machen. Die Unternehmen wünschen sich sehnlich, dass die Politik einfach mal den Reset-Knopf drückt und die vorhandenen Potenziale nutzt. Wir müssen produktiver und innovativer werden”, mahnt Wansleben. “Das fordert auch die Betriebe, von denen viele bereits ihre Prozesse anpassen. Sie brauchen dafür Rückenwind aus der Politik und weniger bürokratische Vorgaben.” Insgesamt steigen die Risiken und Unsicherheiten, denen sich die Betriebe ausgesetzt sehen, weiter an. Wansleben: „Mittlerweile kreuzen die Unternehmen im Schnitt 3,1 Geschäftsrisiken an. Noch vor der Pandemie waren es im Durchschnitt 2,4.” Jeweils mehr als die Hälfte nennen als die größten Geschäftsrisiken die Energie- und Rohstoffpreise (aktuell 61 % nach 65 % im Frühsommer), den Fachkräftemangel (58 % nach 62 %), die Inlandsnachfrage (53 % nach 46 %) sowie erstmals eben die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (51 % nach 43 %).
Internationale Abkommen stützen neue Lieferketten
Die geopolitische Lage zwingt Betriebe schon jetzt zu einer breiteren Diversifizierung ihrer Märkte und Lieferketten. Diese Risikominimierung führt zu deutlich höheren Kosten. Zudem läuft die Weltkonjunktur schleppend und liefert kaum Impulse. „Das trifft Deutschland als Exportnation mehr als andere, und umso wichtiger sind auch hier klare politische Signale”, so Wansleben. Wir brauchen schnellstmöglich starke Handelsabkommen, um etwa den Marktzugang im Indopazifik und Lateinamerika spürbar zu verbessern.” Über viele Jahre haben sich die Unternehmen bei den Beschäftigungsabsichten erstaunlich robust gezeigt – nicht zuletzt aufgrund des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels. Aktuell sind die Betriebe hier deutlich vorsichtiger.