Für die Kühlfrachtbranche bleiben auch 2024 die blockierten Seewege ein Problem. Umso wichtiger wird es, dass Frachtunternehmen und Kunden in intensiven Austausch treten.
Wie sehr haben sich doch alle eine Atempause gewünscht, und die Zeichen standen eigentlich auch darauf: 2023 werde aus Sicht der Logistikbranche „ein vergleichsweise langweiliges Jahr“, prophezeite Philip Gray, Experte für Kühlfracht-Logistik (Reefer) beim Beratungsunternehmen Drewry, noch voller Optimismus vor genau einem Jahr auf der FRUIT LOGISTICA 2023. „Nun ja“, räumt er heute ein. „In den ersten Monaten war es auch ein bisschen langweilig und dann…“ Dann häuften sich die unerwarteten Ereignisse: Wassermangel im Panama-Kanal, der Angriff der Hamas auf Israel, zunehmende Spannungen in Nahost, Attacken auf Schiffe im Roten Meer.
Der Druck auf die Logistikbranche hat nach Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine also weiter zugenommen, und der zeitsensible Frischfruchtbereich ist in besonderem Maße betroffen. Das zeichnet sich auch in den Zahlen ab, die Gray am Mittwoch auf der Bühne des LOGISTICS HUB vorstellte. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr die Kühlfrachttransporte per Schiff um 0,5 % zurück. In diesem Jahr könnten sie „mit ein bisschen Glück“ wieder um 1,7 % zulegen.
Nadelöhr Panama-Kanal
Die Krisen, die sich 2023 aufgetan haben, bleiben auch 2024 bestehen: Der reduzierte Schiffsverkehr im Panamakanal bereite gerade den südamerikanischen Exporteuren wie Chile, Ecuador und Peru Tag für Tag heftige Probleme, erklärte Gray. Dabei ist die Route zwischen Zentralamerika/Karibik und Nordamerika inzwischen die wichtigste Strecke für Seekühlfracht (single reefer traffic) weltweit; sie löste damit die Verbindung zwischen Nordamerika und Asien ab. Die Route zwischen dem westlichen Südamerika und Europa ist mittlerweile die drittwichtigste Kühlfrachtstrecke mit einem geschätzten Volumen von 5,95 Mio t im vergangenen Jahr – 71 % der Fracht waren Bananen.
Als zusätzliche Belastung dürfte in diesem Jahr das Wetterphänomen El Niño hinzukommen. All das führe im Kühlfrachtseeverkehr zu längeren Routen, höheren Kosten und auch Instabilitäten, zum Beispiel bei der Bereitstellung von Containern, erläuterte Gray. Das Wichtigste, was Frachtfirmen und ihre Kunden jetzt tun sollten, sei deshalb, sehr viel miteinander zu kommunizieren.
Löcher im Transportnetz
Das sieht auch Bruce Marshall so, Global Head Refrigerated Cargo bei Maersk. Zwei Knackpunkte gebe es durch die aktuelle Lage: die langen Transportwege und die Haltbarkeit der frischen Ware, erläuterte Marshall beim Panel „Wie kann das Geschäft mit verderblichen Waren im Jahr 2024 wachsen?“ Der Transport von Ware von Amerika in den Nahen Osten habe früher mit der Passage durchs Rote Meer je nach Anlaufhafen zwischen 30 und 35 Tagen gedauert. Aktuell seien es durch den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung 45 bis 50 Tage. Automatisch steigen so auch die Kosten: durch höhere Treibstoffpreise, teils auch, weil das Fahrttempo gesteigert werde, wodurch sich außerdem Emissionsabgaben in der EU erhöhen. Auch gebe es gar nicht genug Schiffe, um die Löcher in dem Transportnetz zu stopfen, die die längeren Fahrtwege reißen.
Trackingtools und flexible Lösungen
Insbesondere mit den Kunden im Kühlwarenbereich steht Maersk deshalb intensiv im Austausch. Dank eines Trackingtools kann Maersk den Weg der Container in Echtzeit verfolgen und mit den Kunden überlegen, was zu tun ist, falls die Ware zu lange unterwegs ist: Soll das Transporttempo steigen? Oder sollte die Ware ausgeladen werden, um sie auf einem anderen Markt zu verkaufen? Wichtig sei es, mit den Kunden gemeinsam zu Lösungen zu kommen.