Christophe Vermeulen, seit vier Jahren CEO von Belgapom, bezeichnet den Sektor in einem Interview mit vilt.be als das Kronjuwel des belgischen Lebensmittelsektors. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass die Herausforderungen für die Zukunft groß sind. Auch wenn die Kartoffel auf der Interpom (24.-26. November, Kortrijk Xpo) seiner Meinung nach gut dastehen wird.
„Der Wandel, den der Sektor vollziehen muss, ist nicht nur groß, sondern er muss auch schnell gehen. Wir können es uns wirklich nicht leisten, Zeit zu verlieren, wie wir bei der Umsetzung der neuen Güllepolitik sehen“, argumentiert er gegenüber vilt.be. Eine Antwort auf die Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu finden, bezeichnet er daher als seine derzeit wichtigste Aufgabe.
Die Branche berge immer noch viele Geheimnisse, da sie unberechenbar sei. „In der einen Saison ist es zu nass, in der anderen zu trocken, dann ist es schwierig zu pflanzen oder es treten Probleme bei der Ernte auf. Von Auflaufproblemen oder Krankheiten ganz zu schweigen. Jedes Jahr ist anders und erfordert auch einen anderen Ansatz. Ich werde also noch ein paar Saisons brauchen, um den Sektor vollständig zu ergründen“, sagt Vermeulen.
Der Slogan der letzten Messe-Ausgabe „Towards a healthy growth“ wurde durch „Energising a Potato Industry in Transition“ ersetzt. Vermeulen: „Wir sollten die Auswirkungen der vielen sich ändernden Gesetze, der europäischen Ziele und der Unvorhersehbarkeit neuer Gesetze, die von den Mitgliedsstaaten noch umgesetzt werden müssen, wie z.B. das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, nicht unterschätzen. Hinzu kommen der Druck auf die Anbauflächen und die Boden- und Wasserqualität, die dringend verbessert werden müssen. Wir haben fünf entscheidende Jahre vor uns, um diesen Übergang zur Nachhaltigkeit zu schaffen. Das ist die erste Botschaft, die wir vermitteln wollen. Außerdem geht es nicht um kleine Sprünge nach vorn, die wir machen müssen, sondern um einen ernsthaften Gazellen-Sprung. Außerdem bleibt kaum noch Zeit, denn die Fristen für diesen Übergang rücken immer näher. Und die Erstellung von MAP7 hat uns gelehrt, wie schwierig es ist, Schritte nach vorn zu machen. Daher das ‘Energetisieren’ im Slogan: Der Turbo muss angeworfen werden. Das ist nicht nur eine Angelegenheit der Erzeuger, sondern auch die Verarbeitung muss ihren Teil dazu beitragen. Und das werden wir. Denn neben dem Gesetzgeber sind es auch die Kunden der Verarbeiter, die Verpflichtungen rund um die Nachhaltigkeitsberichterstattung auferlegen. Rund 80 % davon beziehen sich auf die Nachhaltigkeit der verarbeiteten Rohstoffe. Wir müssen also unsere Kräfte bündeln und uns trauen, über Modelle nachzudenken, die es noch nicht gibt. Die Herausforderungen, die es für den Kartoffelsektor gibt, gibt es auch für den Gemüsesektor.“
Auf die Frage, ob gesundes Wachstum in Belgien möglich sei, erklärt er: „Wenn wir uns die Anbaufläche ansehen, sind wir ungefähr bei der Obergrenze von 100.000 ha. Denn die obligatorische Fruchtfolge und die Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik bremsen. Auf der anderen Seite gibt es auch Entwicklungen in der Tierhaltung. Wie sich diese entwickeln wird, werden wir erst in einigen Jahren wissen. Aber heute wird etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche für den Anbau von Futtermitteln genutzt. Was wird passieren, wenn das in Zukunft nicht mehr gebraucht wird? Da könnte sich möglicherweise eine Chance für den Gemüse- und damit auch für den Kartoffelsektor ergeben. Aber wir wollen uns sicher nicht damit bereichern, dass wir einem angeschlagenen Tiersektor ein Schnippchen schlagen. Die Nachfrage nach unseren verarbeiteten Kartoffelprodukten bleibt auf jeden Fall hoch. Die Unternehmen diversifizieren zunehmend und setzen auf Spezialitäten. Im Inland haben wir in den vergangenen Jahren einen enormen Kapazitätsausbau erlebt, aber das kann nicht so bleiben. Ein Teil des Wachstums wird also nicht mehr belgisch sein.”
Mit Bick auf das Thema Pflanzenschutz hoffe er, in Absprache mit dem Gesetzgeber den Übergang zu weniger Pflanzenschutz so gestalten zu können, dass nach Alternativen gesucht und diese getestet werden können. Diese Alternativen müssen nicht nur effizient, sondern auch erschwinglich sein. Das sei ein schwieriges Gleichgewicht. Für eine Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln im Kartoffelanbau brauche es andere, widerstandsfähigere Kartoffelsorten. Crispr-CAS könne bereits genutzt werden, auch andere GVO-Techniken müssten laut Vermeulen zugänglich werden. Denn mit den Kartoffelsorten von heute könne man auch wegen des Klimawandels nicht mehr langfristig produzieren.
Vermeulen stellte fest, dass der Anteil der Vertragskartoffeln zunimmt, 70 % bis 80 % der Kartoffeln würden unter Vertrag gehandelt. Aufgrund der steigenden Nachfrage decken sich die Verarbeiter zunehmend selbst ein. Auch Vertragsformen wie Jahresverträge oder Partnerschaftsverträge kommen auf. Die Zeiten von reinen Tonnageverträge sei vorbei. Vorläufig werde es aber Platz für den freien Markt geben, da er notwendig sei, um die Angebotslücken zu schließen, und ein Teil des Einkommensmodells der Landwirte sei.