Die landwirtschaftlichen Arbeitgeber lehnen die Gewerkschaftsforderung ab, für Saisonbeschäftigte einen vollen Krankenversicherungsschutz einzuführen. „Nach den Erfahrungen auf den Betrieben bieten die bestehenden Gruppenkrankenversicherungen gerade für ausländische Saisonkräfte einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz, auch bei schweren Erkrankungen oder Unfällen in der Freizeit“, sagte der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), Hans-Benno Wichert, gegenüber AGRA-EUROPE.
Für den Arbeitgeberpräsidenten ist es nicht nachvollziehbar, das ausländische Saisonkräfte mit einer gesetzlichen Krankenversicherungs- und damit auch Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung belastet werden sollen, obwohl sie während ihres kurzen Aufenthalts in Deutschland in der Regel nur wenige der Leistungen in Anspruch nehmen könnten. Sinnvoller wäre es laut Wichert, einen Mindestversicherungsschutz der privaten Gruppenkrankenversicherungen für diesen Personenkreis sicherzustellen. Dies könne etwa erreicht werden, indem eine Eigenbeteiligung ausgeschlossen werde. Selbstverständlich sei es wichtig, die Erntehelfer über den bestehenden Versicherungsschutz zu informieren. Wichert räumte hier Handlungsbedarf ein: Die Information verberge sich oft in den vielen Seiten Vertragstext, die die Saisonkräfte für die Beschäftigung erhielten und werde deshalb oft nicht wahrgenommen. Abhilfe schaffen könne eine Art „Deckblatt“ mit den wichtigsten Informationen zur Beschäftigung.
Wichert wies in diesem Zusammenhang pauschale Vorwürfe zurück, Erntehelfer würden in Deutschland schlecht behandelt. Derartige Äußerungen stellten hiesige Obst- und Gemüseerzeuger unter Generalverdacht und seien für die Betroffenen „nicht nur zutiefst verletzend, sondern auch völlig ungerechtfertigt“, sagte Wichert. Er bezog sich auf Äußerungen der SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl. Sie hatte kürzlich behauptet, auch in Deutschland würden Migranten und Migrantinnen bei der Arbeit auf den Feldern „in tausenden Fällen ausgenutzt und betrogen“. „Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, aber auch der Arbeitsschutzbehörden und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau in den letzten Jahren belegen keine flächendeckenden Verstöße“, betonte Wichert. Die aus anderen EU-Mitgliedstaaten geschilderten unzumutbaren Bedingungen, zu denen dort ausländische Arbeitskräfte beschäftigt würden, seien in keiner Weise auf Deutschland übertragbar, auch wenn es auch hierzulande wie in jeder anderen Branche Betriebe gebe, die die rechtlichen Vorschriften nicht oder nicht in Gänze beachteten.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem kürzlich für das Jahr 2022 vorgelegten Bericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ der Initiative Faire Landarbeit. Dabei handelt es sich dem GLFA-Präsidenten zufolge um einen Tätigkeitbericht verschiedener Organisationen, die aus dem Ausland stammende Arbeitnehmer über Saisonarbeit in Deutschland informieren und beraten. Zwar belege der jährliche Bericht, dass es in einigen landwirtschaftlichen Betrieben zu arbeits-, sozialversicherungs- und aufenthaltsrechtlichen Verstößen komme. Er lasse jedoch keine Rückschlüsse auf den Umfang der Verstöße zu. „Das sind und bleiben Ausnahmefälle“, stellte Wichert klar. Er wies darauf hin, dass landwirtschaftliche Arbeiten nun einmal überwiegend im Freien durchgeführt würden. Arbeitnehmer seien daher im Sommer Hitze und Sonne ausgesetzt. Umso wichtiger seien Sonnenschutz und ausreichend Trinkwasser. Hilfreich wäre aber auch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes, so dass mit kürzeren Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen ein Beginn der Arbeiten in den frühen Morgenstunden, eine mehrstündige Pause während der Mittagshitze und ein Arbeiten nachmittags bis in den Abend hinein gestattet wäre. AgE