Ein mit Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuertes Hackgerät stösst auf viel Interesse bei Schweizer Bäuerinnen und Bauern.
Den Unterschied macht die Software. Dank KI dauert es nämlich nur ein paar Stunden, bis das Hightech-Gerät in einer ihm zuvor unbekannten Kultur eingesetzt werden kann, teilt der Landwirtschaftliche Informationsdienst (LID) mit.
Die Regulierung von Unkraut zählt zu den wichtigsten Tätigkeiten auf produzierenden Bauernbetrieben. Denn: Wird der richtige Zeitpunkt verpasst, nehmen die unerwünschten Pflänzchen schnell überhand über die landwirtschaftlichen Kulturen. Diese werden im Wachstum gehemmt oder gar ganz verdrängt, mit Ertragsverlusten als direkte Folge.
Der gezielte Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln gegen unerwünschte Gräser und Kräuter war bis vor ein paar Jahren das Mittel der Wahl. Doch Gesellschaft und Politik haben hier einen Richtungswechsel bewirkt: Die Schweizer Landwirtschaft soll mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommen, insbesondere bei der Unkrautbekämpfung. Der Bund bezahlt den Bauern Beiträge, wenn sie bewusst auf Herbizide in Acker- und Spezialkulturen verzichten.
Auch deshalb erlebt mechanisches Jäten in der Schweizer Landwirtschaft eine Renaissance. Es beginnt bei einfachen am Traktor angehängten Hackgeräten, die zwischen den Pflanzenreihen die Erde oberflächig bewegen oder abschaben und damit das Unkraut in Schach halten. Das funktioniert zwar ziemlich gut, hat aber den Nachteil, dass die Hackscharen bei vielen Geräten nur zwischen und nicht in den Reihen zwischen den einzelnen Kulturpflanzen arbeiten. Mit Hilfe von Kameras und immer ausgewiefterer Roboter-Technik geht es mittlerweile aber auch immer häufiger dort zur Sache. Vor allem in kostenintensiven Gemüsekulturen lohnen sich solche Investitionen.
Kameras erfassen jede Pflanze
Ein neues Hackgerät macht sich gerade auf, um die Schweizer Gemüseäcker zu erobern, respektive dort dem Unkraut den Garaus zu machen. Ist das In-Row Hackgerät aus dem tschechischen Haus Ullmanna am Traktor angehängt, wählt der Fahrer auf dem Display die Kulturart aus und los geht’s. Es ist keine Kalibrierung nötig, auch GPS braucht es nicht unbedingt.
Im Zentrum stehen die Aggregate, welche die Hackmesser pneumatisch zwischen den Kulturen bewegen. Jedes einzelne der in der 3,30 m breiten Standardversion bis zu acht Aggregate ist mit mehreren Kameras ausgestattet. Die Software nutzt vorhandene Bildsätze zusammen mit Künstlicher Intelligenz (KI) zur Erkennung der zu schützenden Kulturen. Das KI-Hackgerät schiesst von jeder einzelnen Kulturpflanze ein Bild und erkennt, ob es sich um «Freund oder Feind» handelt.
Blitzschnell gibt die Software dem Pneumatikzylinder das Signal weiter, wenn die Messer gegen das Unkraut ausgefahren werden sollen. Dabei wird vorab ein Sicherheitsabstand zur Pflanze bestimmt, beispielsweise vier Zentimeter bei einem Salat, bis zu dem das Unkraut entfernt werden soll. Zudem erkennt die Software mit Hilfe des Bildsatzes den Mittelpunkt der Reihe und passt gegebenenfalls den Verschieberahmen automatisch an.
Da jedes Aggregat mit eigenen Kameras ausgestattet ist, lässt sich auch die Bodenhöhe individuell anpassen. Die Hacktiefe wird automatisch an die Bodenbedingungen angeglichen. Zudem lassen sich die Aggregate einfach verschieben oder entfernen und somit schnell an unterschiedliche Kulturen und Reihenabstände anpassen. Das alles ermöglicht effizientes Jäten in kurzer Zeit.
Neue Kulturen sind schnell implementiert
Für bis zu 50 Kulturen sollen bereits funktionsfähige Bilddatensätze zur Verfügung stehen, erklärt Joel Mosimann von Sevra Suisse AG, welche seit diesem Sommer Ullmanna in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein vertritt. Und selbst wenn eine neue bisher nicht erfasste Gemüse-Art dazukommt, kann diese schnell implementiert werden.
Der Schreibende war dabei, als das Gerät im Berner Seeland erstmals in Federkohl unterwegs war. Dazu waren vorerst vier Reihen reine Kamerafahrten nötig. Mit den dabei geschossenen rund 1000 Bildern erstellte der Software-Ingenieur in Tschechien mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in weniger als einer Stunde ein Modell. Dieses erlaubte eine erste Hackdurchfahrt, die erstaunlich gut funktionierte. Nun kommen laufend neue Bilder dazu, weshalb die selbstlernende Software tendenziell immer genauer wird. Der Unterschied zu anderen Hackrobotern liegt zweifellos in der Software, die zur Erstellung eines funktionierenden Algorithmus in einer Kultur nur ein Bruchteil der Zeit benötigt, wie vergleichbare Geräte.
In Zukunft mehr als nur hacken
Die mögliche Fahrgeschwindigkeit sei abhängig von Kultur, Setzabstand und dem Zustand der Erde respektive wie stark diese «fliege», erklärt Joel Mosimann: „Beim Salat ist ein Tempo von 3,5 km/h realistisch.“ Das intelligente Hacken ist zurzeit die Hauptverwendung des In-Row-Hackgerätes. Doch mit den Aufnahmen von tausenden von Bildern in Echtzeit ergeben sich für die Zukunft noch ganz andere Möglichkeiten. „Beispielsweise bei Salaten unterschiedliche Kaliber auf dem Feld analysieren oder Schneckenbisse erkennen“, erklärt Joel Mosimann. Die Analyse der Bilder könnte zudem Hinweise auf sich anbahnende Krankheitsherde liefern. Die Bäuerin oder der Bauer könnte durch diese Früherkennung gezielt Massnahmen ergreifen, um die Kultur zu schützen.
Das Gerät mit sechs Aggregaten kostet um die 150.000 Franken, abhängig von der Ausstattung. Joel Mosimann ist zurzeit praktisch täglich mit Demofahrten auf den Äckern unterwegs. „Das Interesse am intelligenten Hackgerät ist sehr groß“, sagt er.