Weder in der Gesellschaft noch in der EU herrscht eine einheitliche Meinung, wenn es um die Nutzung der so genannten “NGT”, der New Genomic Techniques, geht. Die europäische Nachrichtenseite Euractiv liefert ein Update, das allerings nach weiteren Verzögerungen bei der Entscheidungsfindung aussieht.
Eine Diskussion über einen endgültigen Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft, um den Stillstand bei der Gesetzgebung zu neuen Genomtechniken (NGTs) zu überwinden, wurde von der Tagesordnung des EU-Botschaftertreffens am Mittwoch (26. Juni) gestrichen, da er einige Mitgliedsstaaten, insbesondere Polen, nicht überzeugen und somit nicht die notwendige Mehrheit für eine gemeinsame Position zu den neuen genomischen Techniken (NGT) erzielt werden konnte, berichtet die Seite unter Berufung auf Quellen in der belgischen Präsidentschaft.
Zu viele Bedenken, zu wenig Zeit
Polens Landwirtschaftsminister Czeslaw Siekierski habe angekündigt, dass sein Land das Gesetz wahrscheinlich nicht unterstützen werde - trotz der Bemühungen der belgischen Ratspräsidentschaft, Bedenken bezüglich der Patentierbarkeit von mittels NGT entwickelten Pflanzen auszuräumen. Die Unterstützung Warschaus hätte ausgereicht, um die Pattsituation zu überwinden und den Vorschlag voranzubringen, heißt es bei Euractiv. “Wir hatten nicht genug Zeit, um die Auswirkungen des Vorschlags zu analysieren”, habe Siekierski am Montag bei einem Treffen der Agrarminister in Luxemburg vor Journalisten dazu kommentiert.
Testfeld mit NGT-Reis “RIS8IMO” zerstört
Die Lockerung der Vorschriften für NGTs bleibt umstrittenes Thema. In Italien wurde kürzlich ein erster Feldversuch mit NGT-verändertem Arborio-Reis unter dem Namen “RIS8IMO” gestartet, um angesichts klimatischer Herausforderungen widerstandsfähigere Pflanzen zu erforschen. Allerdings wurde das Mitte Mai angelegte Testfeld vergangene Woche zerstört, die Pflanzen ausgerissen. Die verantwortliche Wissenschaftlerin Vittoria Brambilla zeigte sich gegenüber italienischen Medien “bestürzt und traurig”, diesem “ungerechtfertigten Gewaltakt” ausgesetzt gewesen zu sein, der von mangelnder Aufklärung und wissenschaftsfeindlichen Tendenzen zeuge. Keine Gruppe hatte sich öffentlich zur Tat bekannt. Dies lasse an den Anfang der 2000er Jahre denken, erinnert Euractiv, wo französische Umweltgruppen wie die “faucheurs volontaires” öffentlich erklärt hatten, alle Versuchsflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu zerstören.
Widersprüchliche Fakten
Die Lage ist widersprüchlich: Ein Bericht der französischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (ANSES) aus dem Jahr 2024 zeige, dass NGTs die gleichen Umwelt- und Gesundheitsrisiken wie “herkömmliche” genetisch veränderte Organismen böten. Der belgische oberste Gesundheitsrat war hingegen zum Schluss gekommen, dass “NGT-Pflanzen zwar genetisch verändert werden, sich aber von GVO ‘stark unterscheiden’ und keine zusätzlichen Risiken bergen”, gibt Euractiv wieder.
In einem im Februar 2024 veröffentlichten Artikel zeigen u.a. Luise Zühl und Samson Simon vom Bundesamt für Naturschutz wiederum auf, dass es “unmöglich” sei, potentielle Risiken NGT-modifizierter Pflanzen nur durch Zahlenevaluation, etwa die Zahl der vollzogenen Änderungen, zu bewerten. “Selbst kleine Änderungen durch Genetic Engineering können ein Hoch-Risiko-Potenzial für Umwelt und Gesundheit bedeuten”, heißt es dort, während Silvio Salvi, Professor für Pflanzengenetik und Präsident der Italienischen Gesellschaft für landwirtschaftliche Genetik, auf mangelnde Aufklärung tippt: “Die Menschen verstehen im Allgemeinen nicht wirklich den Unterschied zwischen der genetischen Veränderung (GVO) und der auf CRISPR-Cas9 basierenden Gentechnik, die das Hauptinstrument der NGTs ist”, wird er auf Euractiv zitiert. In jedem Fall gilt es nun, die Stellungnahme der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA abzuwarten, die im Juli veröffentlicht werden soll. Allerdings werde ein Gesetzesentwurf vermutlich “mindestens ein Jahr lang im Rat blockiert sein, da die ungarische und die polnische Präsidentschaft kaum Fortschritte in dieser Angelegenheit machen werden”, heißt es abschließend.