Die anhaltenden Verluste an biologischer Vielfalt durch die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft sind dramatisch. In einem Meinungsartikel in der Fachzeitschrift Trends in Ecology and Evolution argumentieren Wissenschaftler der Universitäten Göttingen und Hohenheim sowie dem Centre for Ecological Research in Vácrátót in Ungarn, dass ein Mix aus Maßnahmen in der Landwirtschaft und für Schutzgebiete notwendig ist, um die Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern.
Schutzgebiete sind für die globale Artenvielfalt von entscheidender Bedeutung, heißt es weiter. Darüber hinaus brauche es aber auch Landschaften und Regionen, die eine Ausbreitung von Tieren und Pflanzen zwischen genutzten und natürlichen Flächen ermöglichen, um die Wahrscheinlichkeit lokalen Aussterbens zu verringern. Dies sei besonders wirksam in Landschaften mit kleinen Feldern mit einer diversen Fruchtfolge. Wird der Naturschutz hingegen nur auf große Schutzgebiete konzentriert, scheitere die Erhaltung einer Vielzahl von Arten in Agrarlandschaften, die wichtige Ökosystemleistungen wie Schädlingsbekämpfung, Bestäubung und kulturelle Leistungen erbringen.
„Mit diesem Artikel wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die falsche Dichotomie der „land sparing versus land sharing“-Debatte zu überwinden“, sagen der Erstautor, der Göttinger Agrarökologe Prof. Dr. Teja Tscharntke und seine beiden Koautoren, Dr. Péter Batáry vom Centre for Ecological Research in Vácrátót, Ungarn, und Prof. Dr. Ingo Grass von der Universität Hohenheim. Bei dieser Debatte geht es darum, ob es eher eine Integration (land sharing) oder Segregation (land sparing) von Naturschutz-Maßnahmen und landwirtschaftlicher Produktion geben soll. Konkret wird vorgeschlagen, die Naturschutz-Politik auf eine umweltfreundliche Landnutzung zu konzentrieren (land sharing), was meist mit einer Reduzierung des Ertrags einhergeht. Dieser Vorschlag wird teils heftig von Vertretern des land sparing kritisiert, die für eine intensive Ackernutzung plädieren, um den gleichen Ertrag auf weniger Fläche zu erzielen. Auf diese Weise könnten landwirtschaftliche Flächen aus der Nutzung genommen und für mehr Naturschutz reserviert werden.
„Die Idee, den Naturschutz hauptsächlich auf den sparsamen Umgang mit Land zu beschränken und für eine Landwirtschaft mit hoher Intensität zu plädieren, ignoriert die Notwendigkeit multifunktionaler und komplexer Agrarlandschaften mit ihrem Beitrag für die Artenvielfalt und für wichtige biologische Leistungen wie die Schädlingsbekämpfung, Bestäubung und Bodengesundheit“, so die Autoren. Allerdings sollten biodiversitätsfreundliche Maßnahmen auf den Feldern so gestaltet werden, dass sie Ertragsverluste minimieren, wie das bspw. mit einer Verkleinerung und Diversifizierung der Felder auf effektive Weise möglich ist. So kann eine erhöhte Nachfrage nach Nahrungsmittelimporten aus biodiversitätsreichen Regionen verhindern werden, wobei grundsätzlich höhere sozial-ökologische Landnutzungsstandards für Importe durchgesetzt werden müssten, um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen.