Einer Wiederzulassung des umstrittenen Herbizidwirkstoffs Glyphosat steht nichts mehr im Wege. Zwar hat es am 17. November erneut keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für eine Zulassungsverlängerung gegeben, jedoch auch nicht für eine Ablehnung. Bereits kurz nach der Abstimmung erklärte die Europäische Kommission, dass sei nun ihren Vorschlag umsetzen und eine Verlängerung der Zulassung beschließen werde.

Die Annahme muss formell allerdings noch über das Kollegium der Kommissare angenommen werden. Die aktuell gültige Genehmigung läuft am 15. Dezember aus. Zuvor hatte bereits ein Sprecher der Bayer AG erklärt, die EU-Kommission habe bestätigt, dass sie Glyphosat für die Verwendung in der EU für weitere zehn Jahre genehmigen werde. „Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können“, so der Unternehmenssprecher. Dem Vernehmen nach hat sich Deutschland auch im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) der Stimme enthalten. Aufgrund der Intervention der FDP, die sich anders als die Grünen für eine Verlängerung ausgesprochen haben, hatte sich Deutschland schon in der ersten Runde im SCoPAFF Mitte Oktober nicht positioniert. Auch das Bundeskanzleramt soll Druck gemacht haben, für eine Enthaltung zu stimmen.

Unterdessen hieß es aus Brüsseler Kreisen, dass Italien seine Position gewechselt habe. Während der Vertreter Roms im Oktober noch für eine Verlängerung der Glyphosat-Wiederzulassung gestimmt hatte, soll er sich nun enthalten haben. Erneut votierte aber die einfache Mehrheit der EU-Länder für den Vorschlag. Dagegen stimmten lediglich Österreich, Kroatien und Luxemburg. Derweil haben sich neben Deutschland und Italien auch Belgien, Bulgarien, Frankreich, Malta und die Niederlande enthalten. Bekanntlich bedarf es zur Billigung des Kommissionsvorschlages einer qualifizierten Mehrheit von 55 % der Mitgliedstaaten. Bei 17 Ja-Stimmen war dieses Kriterium erfüllt. Nicht erreicht wurden aber die ebenfalls erforderlichen 65 % der EU-Bevölkerung.

Die für Glyphosat federführende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte im Juli aus wissenschaftlicher Sicht keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine erneute Zulassung vorgebracht. Bei der Risikobewertung der Auswirkungen von Glyphosat „auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie auf die Umwelt wurden keine kritischen Problembereiche festgestellt“, so die Behörde. In das Ergebnis war auch die Bewertung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) aus dem Vorjahr eingeflossen. Diese hatte festgestellt, dass die Kriterien für eine Einstufung als karzinogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Stoff nicht erfüllt sind. Die EFSA wies - wie allerdings in der Regel auch bei anderen Pflanzenschutzmitteln üblich - auf Datenlücken hin. Nicht alle Fragen hätten abschließend geklärt werden können. Hierzu gehörten Aspekte des ernährungsbedingten Risikos für die Verbraucher sowie die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Gleiches gelte für das Thema Biodiversität.

Pflanzenschutz

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Die CDU-Agrar- und Umweltpolitikerin im Europaparlament, Christine Schneider, bezeichnete das Ergebnis als einen „Sieg von Fakten in einer emotional geführten Debatte“. Selbstverständlich wolle man den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Solange es aber keine funktionierenden Alternativen gebe und in Europa Krieg herrsche, werde man keine Gesetze unterstützen, die Landwirte an der Produktion von Lebensmitteln hinderten. Laut Schneider würde ein vollständiges Verbot von Glyphosat sich sehr negativ auf die Lebensmittelproduktion und die Preise auswirken. Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der Europa-SPD, zeigte sich dagegen  verärgert über die Kommissionsentscheidung. „Dies lässt uns in einer umweltpolitischen Sackgasse. Eine eingeschränkte Nutzung, limitiert auf einen absehbaren Zeitraum, wäre eine Entscheidung im Sinne der Umwelt und aller Verbraucherinnen und Verbraucher gewesen“, so Noichl. Der SPD-Politikerin zufolge nimmt die zehnjährige Verlängerung ein weiteres Mal den Druck von den produzierenden Unternehmen, an Alternativen zu arbeiten. Noichl appellierte an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, den Einsatz des Wirkstoffs auf nationaler Ebene weitestgehend einzuschränken.

Der Agrarsprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, nannte das Ergebnis der Abstimmung im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) ein „Armutszeugnis politischer Verantwortung“ und „weder verantwortungsvoll noch nachvollziehbar“. Die Mitgliedstaaten hätten „das Ruder aus der Hand gegeben“ und damit die Bedenken Hunderter Wissenschaftler, Studien, anhängige Gerichtsverfahren und Wünsche von Millionen Bürgern ignoriert. Sarah Wiener, Berichterstatterin des Europaparlaments für die Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), wies darauf hin, dass es für eine Zulassungsverlängerung weder hinreichende Unterstützung der Mitgliedstaaten noch der Gesellschaft gebe. Der Grünen-Politikerin zufolge sind zwei Drittel der EU-Bürger und -Bürgerinnen laut Umfragen gegen Glyphosat. Dem müsse die Kommission Rechnung tragen, so die Österreicherin. AgE