Länger anhaltende ungünstige Witterungsbedingungen lassen offenbar die Insektenbiomasse langfristig schrumpfen. Das hat ein Forscherteam um Prof. Jörg Müller von der Universität Würzburg aufgezeigt. Neben ihm waren Kollegen der Technischen Universität (TU) Dresden, der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Zürich sowie des Nationalparks Berchtesgaden an der Untersuchung beteiligt.
Die Ergebnisse sind jetzt im Journal „Nature“ veröffentlicht worden. Nach Aussage der Wissenschaftler reagieren Insekten empfindlich, wenn Temperaturen und Niederschläge vom langjährigen Mittel abweichen. Treten mehrere Witterungsanomalien in Kombination und über mehrere Jahre auf, kann dies die Insektenbiomasse großräumig und langfristig reduzieren. Damit können dem Forscherteam zufolge die Witterung und Häufungen ungünstiger Witterungsanomalien im Zuge des Klimawandels „wichtige Treiber“ des weltweiten Insektensterbens sein. Nur individuenreiche Insektenpopulationen, wie sie in ausreichend großen und hochwertigen Lebensräumen zu finden seien, erschienen unter solch widrigen Bedingungen überlebensfähig. Die Wissenschaftler plädieren in ihrem Bericht dafür, noch mehr hochwertige Lebensräume zu schaffen. Diese zeichnen sich demnach durch Pflanzen aus, die typisch für naturnahe Habitate sind, außerdem durch einen hohen Strukturreichtum oder eine extensive Nutzung.
Vorgehensweise der Wissenschaftler
Für ihren Bericht analysierten die Forscher die Studie von Caspar A. Hallmann von 2017, die Daten des Entomologischen Vereins Krefeld ausgewertet hatte, neu. Dabei seien nun aufbereitete Witterungsdaten eingeflossen, darunter Informationen über Temperatur und Niederschläge während der Beprobung. Weiter seien Abweichungen vom langjährigen Mittel während der verschiedenen Phasen eines Insektenlebens berücksichtigt worden. Dabei habe das Forscherteam festgestellt, dass für die Jahre ab 2005 für Insekten überwiegend negative Witterungseinflüsse geherrscht hätten. Mal sei der Winter zu warm und zu trocken, mal das Frühjahr oder der Sommer zu kalt und zu nass gewesen. Dagegen sei 2022 das Wetter durchgehend günstig für Insekten gewesen, auch der Sommer davor.
Flächen hochwertiger Lebensräume vergrößern
Aus Sicht von Prof. Annette Menzel von der TUM muss sich viel stärker bewusst gemacht werden, dass der Klimawandel „bereits jetzt ein wichtiger Treiber für den Niedergang von Insektenpopulationen ist“. Die Ökoklimatologin forderte, dies viel stärker in Wissenschaft und Naturschutzpraxis mitzudenken. Um das Aussterberisiko bedrohter Arten unter diesen Rahmenbedingungen abzuschwächen, müssen nach Meinung der Forscher die Flächen hochwertiger Lebensräume vergrößert werden. Daher seien die aktuellen Bestrebungen zum Insektenschutz „noch dringender als bisher gedacht“. Diese Gemeinschaftsaufgabe betreffe sowohl die Landwirtschaft als auch Verkehrs- und Siedlungsräume und damit Gebiete, in denen hochwertige Lebensräume reduziert oder beeinträchtigt würden. Müller schlägt zudem vor, ein Biomasse-Monitoring für ganz Deutschland zu etablieren. Damit könne kontinuierlich gemessen werden, welchen Auf- und Ab-Trends die Insektenpopulationen unterworfen seien, um dies bei weiteren Analysen mit einbeziehen. AgE