Den europäischen Fruchthandel analysiert das European Statistics Handbook. Autor Michael Koch von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft äußert sich nachstehend über Chancen, Herausforderungen und Profiteure der Branche.

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Was treibt die europäische Obst- und Gemüsebranche derzeit um?

Ganz klar Wetter, Witterung und Klima. 2024 war es in weiten Teilen über einen langen Zeitraum zu nass, mit extremen Überflutungen wie in Valencia. Aber auch in Deutschland gab es zwei Hochwasserwellen. Im anderen Extrem traten regional auch Hitzewellen und Trockenheit auf. Erheblichen Unmut erzeugten politische Vorgaben, der Entfall von Subventionen für Agrardiesel beispielsweise. Und natürlich ist die politische Unsicherheit ein Thema. Aber auch der Arbeitskräftemangel und die Lohnkosten. Bei Pflanzenschutzmitteln werden immer weniger Wirkstoffe zugelassen, was die Auswahl geringer macht und die Gefahr von Resistenzen erhöht.

Was hat Sie beim Erstellen des European Statistics Handbook überrascht?

In den Zahlen spiegelt sich der Einfluss der extremen Wetterereignisse noch gar nicht so stark wider. Ich hätte bei Zitrusfrüchten erhebliche Einschnitte erwartet, insbesondere bei der Ware aus Spanien. In Deutschland und Mitteleuropa hätte ich mit einer geringeren Gemüseernte gerechnet. Allerdings muss man abwarten, ob bei der Lagerware, aufgrund der ungünstigen Witterungsbedingungen während der Einlagerung, qualitative Probleme auftreten und damit hohe Sortierverluste.

Für wen läuft es gerade richtig gut?

In den einzelnen europäischen Ländern gibt es keine klaren Gewinner und Verlierer. Aber im Handel sind es sicher die Discounter. Wegen der hohen Inflationsraten schauen die Verbraucher auf den Preis. In Deutschland ist der Anteil der Discounter an den Obst- und Gemüsekäufen nochmal gestiegen auf nun rund 52 Prozent.

Kunde schiebt Einkaufswagen durch den Supermarkt - Nomad_Soul_AdobeStock

Image: Soul - AdobeStock

Was bedeutet das für die Verbraucher?

Er ist der eigentliche Gewinner. Er hat eine Riesenauswahl an Möglichkeiten, wo er wann, was kauft. Und da der Wettbewerb im Handel gerade bei den Frischeprodukten häufig über den Preis geführt wird, gibt es viele Angebotsaktionen. Themen wie Bio, aber auch Regionalität und Nachhaltigkeit im Allgemeinen standen 2024 bei vielen Verbrauchern weniger im Fokus. Wirtschaftliche Überlegungen prägten das Verbraucherverhalten.

Wer verliert?

Die Erzeuger sind etwas auf der Verliererseite, weil sie häufig das komplette Risiko für die Produktionsplanung, Witterungsbedingungen und eventuelle Ausfälle tragen. Mit deutscher Brille auf, sehe ich die Gefahr, dass wir im europäischen Wettbewerb den Anschluss verlieren. Die Produktionskosten sind hoch, es gibt hohe Bürokratiehürden. Die Anzahl der Anbaubetriebe geht zurück, es fehlen Nachfolgeregelungen für Betriebsleiter.

Wie sieht es auf internationaler Ebene aus?

Das goldene Produktionsland, in dem alles super ist, suchen wir vergeblich. Die Herausforderungen in Bezug auf Wetter und Klima haben alle. Bei Überseeware gibt es das Problem mit den Schiffstransporten: Politische Unsicherheiten, Stürme nehmen zu, Umwege müssen gefahren werden. Es kommt zu Verspätungen. Außerdem treten neue Krankheiten und Schädlinge auf, bei Bananen etwa. Und die Wasserverfügbarkeit ist ein großes Thema.

Wie blicken Sie auf 2025?

Das Risiko, nachhaltig, sicher und zuverlässig zu produzieren, ist deutlich gestiegen. Die Kernherausforderungen werden sein: Wie kann ich die Folgen von Wetterextremen abmildern und Produktionsmethoden anpassen, etwa bei der Züchtung von resistenten Sorten. Pflanzenschutzmittel spielen da auch eine Rolle. Ein weiteres Thema, das die Branche in Zukunft beschäftigen wird, ist die Mehrgefahrenversicherung, damit Produzenten etwa bei Hagelschlag oder anderen Witterungsextremen nicht den kompletten Verlust allein tragen müssen. Auch alternative, nachhaltige Verpackungsmethoden sind wichtig, die den Schutz des Produkts gewährleisten, optisch ansprechend und so transparent sind, dass der Verbraucher sieht, was er kauft. Nicht zuletzt müsste die Branche mehr aus dem Trend der veganen und vegetarischen Ernährung machen. Hier stehen bislang häufig hochverarbeitete Ersatzprodukte im Fokus. Dabei bieten frisches Obst und Gemüse so viele Möglichkeiten mit hohen Standards. Es wäre wünschenswert, dass Obst und Gemüse künftig stärker profitieren.

Weitere Infos zum European Statistics Handbook finden Sie auf der FRUIT LOGISTICA Webseite.