Kenia ist nicht nur für seine beeindruckende Tierwelt und die atemberaubende Landschaft bekannt, sondern auch für einen grünen Exportschlager: die Avocado.
In den vergangenen Jahren hat der Anbau dieser Frucht eine wahre Boomphase erlebt. Die Nachfrage nach den cremigen und hauptsächlich biologisch angebauten Früchten des ostafrikanischen Landes steigt weltweit. Kenia hat sich als einer der führenden Produzenten etabliert. An diesen Erfolg ist aber auch das Thema Verantwortung gekoppelt, denn der Anbau muss nachhaltig und sozial gerecht gestaltet werden, damit er sich weiter entwickeln kann.
In Eldoret geben sich regelmäßig nationale und internationale Langstreckenläufer der Extraklasse die Klinke in die Hand. Die Stadt, rund 150 km von der Grenze zu Uganda entfernt, heißt seine Gäste daher stolz in der „City of Champions“ willkommen. Inwieweit die gesunden Avocados auf den Speiseplänen der Ausnahmeathleten stehen, lässt sich nur erahnen. Sicher dagegen ist, dass der Weg von Eldoret zur Plantage von Equator Avocado Kenya Ltd. nur einen Katzensprung entfernt und Ausgangspunkt der Avocado-Einkäuferreise durch Kenia ist. Organisiert hat die Erkundungstour das Import Promotion Desk (IPD), eine vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Initiative – mit dem Ziel, Kontakte zwischen europäischen Einkäufern und afrikanischen Produzenten zu vermitteln.
Elizabeth Kimani ist als General Manager für Equator Avocado Kenya Ltd., einem Tochterunternehmen der Sian Group, tätig. „Unsere Avocados bauen wir vor allem mit ganz viel Leidenschaft an“, betont sie. 2019 wurde die 40 ha große Plantage für den Avocado-Anbau in Marura (Uasin Gishu County) angelegt. 2022 lag die Ernte bei 50 t, ein Jahr später bereits bei 100 t. Die Marke von 300 t soll schon im kommenden Jahr geknackt werden. Angebaut werden hauptsächlich Hass-Avocados, einige wenige Fuerte-Avocadobäume, so erklärt sie, werden jedoch als Bestäuber eingesetzt. Hinzu komme ein robustes Ökosystem mit Bienenvölkern, das für eine gute Ernte unerlässlich sei.
Ideale Anbaubedingungen
Was den Anbau von Avocados betrifft, ist Kenia strategisch günstig gelegen und verfügt über gute Böden und ein ganzjährig günstiges Klima mit mittleren bis hohen Niederschlägen. „Die Erntezeit in der North-Rift-Region unterscheidet sich von der in Südamerika und bietet die Möglichkeit, das Angebotsdefizit im späteren Verlauf des Jahres auszugleichen“, sagt Kimani. Rund 90 % des für die Avocado-Produktion in Kenia verwendeten Wassers ist Regenwasser. Bleibt der Regen über mehrere Wochen aus, kann das Unternehmen auf die Reservoirs von Wasserauffanganlagen zurückgreifen. In Sachen Bodenschutz ist sich das Unternehmen bewusst, dass der übermäßige Einsatz von anorganischen Düngemitteln zu einer Anreicherung von Giftstoffen im Boden führt und auch eine Mineralisierung des Grundwassers zur Folge haben kann. Um dem entgegenzuwirken, wird intensiv organischer Kompost eingesetzt. Damit auch die lokale Wirtschaft vom Avocado-Anbau profitiert, ist das „Parachichi Centre“, ein Avocado-Schulungszentrum, entstanden. Kimani: „Damit wollen wir den Landwirten in den Gemeinden und der Region wichtiges Know-how vermitteln, um qualitativ hochwertige Früchte produzieren zu können. Es geht um die Pflanzenpflege und darum, Fehler beim Anbau und der Ernte zu vermeiden. Kontinuierlich hochwertige Avocados liefern zu können, darauf kommt es an.“
Innovationen vorantreiben
Der Großteil der auf unserer Reise besuchten Plantagen und Packhäuser befindet sich im Umland von Nairobi. 35 km von Kenias Hauptstadt entfernt, ist Karakuta Fresh Produce Ltd. beheimatet. Wir, die Teilnehmer an der IPD-Einkäuferreise, sind dort mit CEO Grace Ngungi verabredet. Um das „globale Superfood“, wie Ngungi die Avocado bezeichnet, erfolgreich anbauen zu können, hat sie sich in jahrelanger Kleinstarbeit mit den Herausforderungen und Tücken des Anbaus beschäftigt. Als Kind auf einer Kaffeeplantage aufgewachsen, wollte sie Jahre später ihr „eigenes Ding“ machen. Von den Chancen und Möglichkeiten, die mit der Produktion von Avocados verbunden sein würden, war sie schon früh überzeugt. Auf einer Fläche von ca. 180 ha mit mehr als 18.000 Bäumen produziert das Unternehmen mittlerweile 400 t Hass-Avocados jährlich. Tendenz steigend. Welche Rolle Innovationen dabei spielen, wird am Beispiel der klonalen Technologie deutlich.
„Als ich einst erfahren haben, dass Kenia in Bezug auf die Produktion von Setzlingen im Vergleich zu Peru angeblich 30 Jahre zurückliege, weil dort viel mehr Geld investiert worden sei, um die richtigen Setzlinge zu bekommen, die gut reifen und die gewünschte Fruchtqualität liefern, bin ich neugierig geworden“, erzählt sie. In Zusammenarbeit mit einem spanischen Unternehmen hat Karakuta nun in einer Versuchsreihe klonale Avocado-Bäume angelegt. Mit dieser Art des Anbaus soll u.a. die Produktion deutlich gesteigert werden. Ngungi: „Die Menge pro Hektar kann im Optimalfall fast verdoppelt werden.“ Grundsätzlich stehe die Homogenität im Mittelpunkt – in Bezug auf die Blüte, das Wachstum und letztlich auch die Größe der Früchte. Ebenso sei die Resistenz gegenüber Schädlingen wichtig. „Unsere Kunden in Europa wollen größere Früchte. Wir werden beobachten, wie sich die Bäume entwickeln und ob sie die von uns gewünschte Homogenität tatsächlich aufweisen.“ In den kommenden zwei Jahren, so Ngungi, könne mit Sicherheit eine Aussage darüber getroffen werden, ob die klonale Technologie auf der firmeneigenen Plantage weiter ausgebaut werden soll oder nicht.
Systeme zur Rückverfolgbarkeit – Erfüllung von EU-Kriterien
Während in Kenia anfangs größtenteils Kleinbauern Avocados angebaut haben, hat die Zahl der größeren Erzeuger in den vergangenen Jahren im Land stetig zugenommen. Die Weltproduktion von rund 9 Mio t (72 %) findet vor allem in Mittel-, Süd- und Nordamerika statt, dahinter folgt bereits Afrika (14 %), das somit noch vor Asien und Europa liegt. Der Wunsch seitens der kenianischen Produzenten, mit deutschen und europäischen Einkäufern zusammenzuarbeiten, ist groß. Ebenso die Bemühungen, die wichtigen und nötigen Standards zu erfüllen. Eco Fields Organics bspw. produziert 300 t Hass-Avocados jährlich und ist mit den Zertifizierungen GLOBALG.A.P, GRASP, Organic EU und SMETA ausgestattet. „Im Rahmen unserer Produktion setzen wir auf langfristige, faire Handelsbeziehungen mit registrierten kenianischen Kleinbauern. Wir halten uns an die strengen Biostandards und garantieren einen chemiefreien Anbau und eine verantwortungsvolle Landbewirtschaftung“, erklärt Managing Director George Muigai.
Um auch die erforderlichen Qualitäten liefern zu können, hat das Unternehmen strategische Partnerschaften mit Technologieunternehmen geschlossen, deren Hauptaugenmerk u.a. auf der Digitalisierung von Rückverfolgbarkeitsprozessen liegt. Auch die Entwaldungsverordnung der EU (EUDR), die darauf abzielt, den Beitrag der EU zur Entwaldung und Waldschädigung weltweit zu minimieren, stellt neue Konformitätsanforderungen für landwirtschaftliche Produkte, die auf den EU-Markt gelangen. Da die Avocadoexporte aus Kenia nach Europa weiter steigen, müssen kenianische Avocadobauern sicherstellen, dass ihre Praktiken den EUDR-Standards entsprechen. „Wir haben uns frühzeitig darum gekümmert, dass kenianische Vertragsbauern die EUDR einhalten, indem sie digitale Satellitenkartierung durchführen, ihren Marktzugang sichern und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken fördern“, so Muigai.
Verbesserte Logistik
Die Transitzeit von Kenia nach Europa bzw. Deutschland beträgt im Schnitt 30 Tage und erfolgt größtenteils über den Seeweg. In den vergangenen Jahren hat das Land den Schienenverkehr verbessert und ausgebaut, so dass die Avocados der besuchten Farmen hauptsächlich mit dem Zug nach Mombasa, rund 500 km von Nairobi entfernt, transportiert und schließlich Richtung Europa verschifft werden. Hinzu kommt, dass sich die Technologie in den Packhäusern kontinuierlich verbessert, wie bei den Besichtigungen von Afriavo Orchards und Biofarms Ltd. deutlich wird. Regelmäßige werde in Automatisierung, neue Verarbeitungsanlagen und angepasste Kühlhäuser investiert. Daniel Nzyuko, CEO & Managing Director von Biofarms, betont die Kontrolle des gesamten Transportprozesses. „Wir sind sowohl auf Seefracht mit Kühlcontainern als auch auf Luftfracht zu allen Zielorten spezialisiert und können eine vollständige Rückverfolgung gewährleisten. Zudem arbeiten wir mit zuverlässigen Erzeugern und führenden Logistikanbietern aus der Region Ostafrikas zusammen.“ Zertifiziert ist das Unternehmen nicht nur mit GLOBALG.A.P, sondern verfügt zudem über die Bio-Zertifizierung der Europäischen Union.
„Fruchtbare“ Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen
Dass „First Drinks Exporters“ seinen Ursprung nicht in der Frucht- sondern in der Getränkebranche hat, liegt namenstechnisch nahe. Im Laufe der Jahre, so erzählt Geschäftsführerin Jennifer Njoka, „sind wir aufgrund der Beziehungen zu unseren europäischen Kunden in die Avocado-Produktion und schließlich in den Export eingestiegen“. Inzwischen werden auf mehr als 70 ha 400 t Hass-Avocados jährlich angebaut. Die Anbaufläche soll weiter vergrößert und ein eigenes Packhaus installiert werden. „Die Reifung der Früchte zu unterschiedlichen Zeiten ist für unsere europäischen Käufer eine große Herausforderung. Dass die Avocados von unserer Plantage aus direkt zu unseren Kunden kommen, sozusagen alles aus einer Hand, darauf werden wir uns weiter konzentrieren.“ Von der Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Firmen verspricht sie sich in Zukunft einiges.
„Ich bin mir sicher, dass wir unsere Qualitätsstandards weiter verbessern können und auch KI-Technologie, bspw. bei der Erkennung von Schädlingen, einsetzen werden.“ Der Kontakt zum IPD ist vergangenes Jahr während der FRUIT LOGISTICA zustande gekommen. Njoka: „Von Beginn an war die Unterstützung groß. Nicht zuletzt das persönliche Coaching des IPD hat uns geholfen, mehr über den deutschen Markt zu erfahren. Das hat bei uns einiges in Bewegung gesetzt.“ Tonny Munga von Angaza Foods Ltd. wünscht sich von deutschen Unternehmen mehr Initiative beim Import von Avocados. „Derzeit spielen vor allem niederländische und spanische Firmen eine große Rolle. Deutschland verfügt über sehr gute Maschinen, die für die Ölproduktion oder auch beim Sortieren der Früchte von großem Vorteil sind. Wir würden alle davon profitieren, wenn Deutschland in Zukunft mehr Avocados aus Kenia importieren würde.“ In der Anbauregion Embu, rund 150 km von Nairobi entfernt, produziert das Unternehmen jährlich 960 t Hass-Avocados. Die nicht für den Frischmarkt geeigneten Früchten werden zu Avocadoöl verarbeitet – sowohl für den Lebensmittel- als auch den Kosmetikmarkt.
Vielversprechende Eindrücke
Inwieweit die geknüpften Kontakte im Rahmen der Einkäuferreise weiter intensiviert werden und in einer konkreten Zusammenarbeit münden, das werden die kommenden Monate zeigen. Daniel Cruz von Campina Verde, dem spanischen Beschaffungsunternehmen der Rewe Group für frisches Obst und Gemüse, ist nach Kenia gereist. Er zeigt sich dankbar für die gewonnenen Eindrücke. „Für uns geht es darum, das ganze Jahr über eine Verfügbarkeit von Avocados gewährleisten zu können. Wir arbeiten bereits mit zwei kenianischen Lieferanten zusammen und würden unser Lieferantenportfolio gerne weiter ausbauen, um damit auch eine gute Alternative zur peruanischen Saison zu haben. In Südamerika hatten wir in der vergangenen Saison, bedingt durch das Wetterphänomen El Nino, relativ große Probleme.“
Die A&B Fruchthandels GmbH importiert hauptsächlich Obst und Gemüse aus Balkanländern wie der Ukraine und Moldawien, aber auch aus Südamerika. Geschäftsführerin Margareta Arnold kann sich eine Zusammenarbeit mit kenianischen Produzenten gut vorstellen. „Tatsächlich habe ich weniger erwartet. Aber letztlich haben wir einige große Plantagen gesehen. Die Firmen verfügen über die entsprechenden Zertifikate und die Leute sind ganz herzlich und professionell. Beides ist wichtig. Natürlich kann ich nicht mit allen Firmen zusammenarbeiten. Aber das eine oder andere Unternehmen, das zu meiner Firma passt, ist mit Sicherheit dabei.“
Dass sich im Avocado-Bereich in den vergangenen Jahren viel getan hat, unterstreicht Sebastian Zeh von der Lehmann Natur GmbH. „Gerade im Bio-Bereich war hauptsächlich Peru als Importland auf dem Markt. Länder wie Kenia oder auch Tansania haben ihre Produktion mittlerweile stark ausgeweitet. Auch vor dem Hintergrund, dass Kenia reichlich Wasservorkommnisse hat, haben wir uns entschlossen, ausschließlich von dort zu importieren, um auf der sicheren Seite zu sein.“ Auch von den Erzeugern ist Zeh angetan. „Zu sehen, wie Firmen auch mit kleinen Erzeugergruppen zusammenarbeiten und wie engagiert der Anbau betrieben wird, das geht ja hier und da schon in Richtung Permakultur oder Demeter. Das war schon ein kleines Paradies, was wir hier vorfinden konnten.“
Über das IPD:
Das Import Promotion Desk (IPD) ist eine Initiative zur Importförderung in Deutschland. Es bildet ein Scharnier zwischen Importeuren und kleineren und mittleren Akteuren in ausgewählten Entwicklungs- und Schwellenländern. Das IPD übernimmt für europäische Importeure das Sourcing und stellt ihnen fundierte Informationen über Produkte, Märkte und Länder zur Verfügung. In sogenannten Sourcing Missions prüft das IPD Exporteure in den Partnerländern anhand festgelegter Kriterien, ob sie lieferfähig sind und Exportstandards erfüllen. Im Rahmen von Fachmessen werden den Importeuren Kontakte zu den sorgfältig ausgewählten Exporteuren vermittelt. Am Anfang der Geschäftsbeziehung steht das IPD weiterhin beratend zur Seite, um Missverständnisse zu vermeiden und eine nachhaltige Partnerschaft zu bilden.